Der Rote Faden in der Kunst

Der Rote Faden in der Kunst

Eine Woche voller Kunst, Kultur und sozialem Engagement von allen Seiten. Die Hommage an die inspirierenden Orte Berlin und Biberach an der Riß.

Pünktlich zum Sommeranfang befand ich mich frei zwischen Kultur, Musik, Kunst und zwischenmenschlicher Philosophie. Die Highlights der Woche aus dem Baden-Württembergischen Biberach und der Hauptstadt fanden für mich persönlich in etablierten Häusern oder abseits mit den Outsidern in einer Autohalle statt. Eine gedankliche Reise zwischen den essenziellen Fragen der Menschheit und dem roten Faden der Kunst.

Berliner Philharmonie

Während letztes Wochenende noch Outsider Kunst und kulturelle Revolution auf dem Programm standen, durfte ich meinen Geburtstag am Samstag Abend mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlins in der Philharmonie zelebrieren. Die Gustav Mahler Symphonie, realisiert von Kent Nagano, überzeugte durch die feinsten Zwischentöne in einer politisch schwierigen Zeit. 

Ohne einen der unterschwelligen und leiseren Töne des Kriegssujets in dem sich auflösenden Wechsel Mahlers Komposition untergehen zu lassen, zauberte der Stardirigent mit jedem Satz der Symphonie, ein größeres Bild der Gegenwart und ihrer Allegorie zu vergangenen Kriegen. Der Esprit des Gastdirigent Kent Nagano, welcher durch die Symphonie Nr. 6 in a-Moll leitete, erweckte in so manch einem der Zuschauer:innen sogar marschartige Bewegungsausbrüche.

Das Motiv von Krieg und Frieden, welches bereits den Komponisten inspirierte, schwebte in dieser Nacht wie feine, sturmartige Netze über dem Konzert des fein nuancierten Spiels des deutschen Symphonie Orchesters Berlin. Mahlers Vision eines wiederum aktuell realistisch nahen Krieges, erfüllte die Besucher:innen des Konzerts mit einer Fülle an Emotionen, bevor sich die Symphonie in sanften Geigenstrichen auflöste. Stilistisch wob das Orchester damit die reich verzierte Brücke zu den beiden aktuellen Ausstellungen im Martin-Gropius-Baus und ihren Blick auf die westlichen Zivilisationen. 

Martin-Gropius-Bau

Während die Sujets der Gruppenausstellung Indigo Waves: Re-Locating the African Diaspora von den Folgen kolonialer Vergangenheit und Gegenwart handeln, wird in Daniel Boyds Ausstellung Rainbow Serpent (Rainbow Version) der Narrativ der Besucher:innen hinterfragt und ihre Blindspots oder tradierte Muster reflektiert.  Im Martin-Gropius Bau verbinden die Künstler:innen der Gruppenausstellung multimedial einen neuen globalen Narrativ und die kritische Reflexion mit vorherrschenden Strukturen. Kunstwerke, die subtil den Wohlstand westlicher Nationen, dem Leidensdruck des globalen Südens entgegenstellen. 

Dabei werden Überbegriffe wie Haut, Herkunft, Ressourcen, Kulturraub und Sklaverei thematisiert und dem Handwerk verschiedener sozialer Strukturen entgegen gesetzt. Vergangene feudale, patriarchale Muster zu hinterfragen, leitet die Besucher:innen der beiden Ausstellungen intuitiv durch eine kritische Selbstreflexion über die eigenen Privilegien und Narrative. Auch die Frage nach politischen und sozialen Grenzen, wird in einem der zentralen Räumen gegenüber gestellt. 

Blinde Flecken

Boyd hingegen zeigt den Besucher:innen die westlichen Blindspots in der Gestaltung der Solo-Ausstellung auf. Sein kritischer Blick wird in der Technik des Künstlers sichtbar, welcher Bildmaterial der kolonialen Vergangenheit verarbeitete und damit die Besucher:innen durch ein Netz aus Punkten auf ihre eigenen Narrativ der Geschichtsschreibung blicken lässt. Der white (male) gaze findet ein fast absurdes Maß der Entfremdung in der Kombination zweier Bildmotive, die sich zwar kulturell diametral entgegen stehen, jedoch demselben eurozentristischen Narrativ entstammten und von Boyd auf die Spitze getrieben wird. 

Ein Bogenschütze auf blauem Hintergrund und mit den Boydschen Punkten bzw. Stickertechnik überzogen.

Der vorteilsbelastete Blick wird bereits im Foyer des Hauses erprobt, denn die oben beschriebenen Blindspots ziehen sich durch eine Installation in der Mitte. Hier müssen die Schuhe ausgezogen werden, um dem Kunstwerk ein Stück näher kommen zu dürfen und sich in Daniel Boyds Vision zu erden.

Das Dalli Dalli Art Kollektiv

Auch wenn die Räumlichkeiten für Alles so schön bunt hier! der Dalli Dalli Art im württembergischen Biberach mietfrei und temporär zur Verfügung standen, gerieten viele der Besucher:innen an gewisse finanzielle oder emotionale Kapazitätsgrenzen und begannen vorhandene Ressourcen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Die geleistete Arbeit der Mitwirkenden wurden zum größten Teil ehrenamtlich erfüllt und die laufenden Kosten, sowie der organisatorische Aufwand ausschließlich durch Spenden finanziert. 

„Es ist toll, dass es solche Menschen gibt. (…) Dennoch, wo ist hier die Unterstützung?“

Künstlerin Andrea Tiebel–Quast, Auszug der Schwäbischen Zeitung

Das Resultat: die Baden-Württembergische Kreisstadt überzeugte mit einem Gesamtkonzept aus internationaler Kunst, universitärer Medizin, Spiritualität, kulturellem Rahmenprogramm und einzigartigen Individuen, die zusammen über zehn Tage lang mehr als 300 Kunstwerke ausstellten. Zudem führten die Künstler:innen zum Teil selbst die Besucher:innen durch das ehemalige Autohaus in Biberach an der Riß. Das Thema Inklusion wurde innerhalb des Ausstellungskonzept zu einem großen, wenn auch nicht komplett realisierbaren Leitmotiv, aufgrund der Bausubstanz. 

Temporäre Zwischennutzung

Angenommen wurde das Angebot von einigen Institutionen die beruflich Menschen mit einer Behinderung, zu mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft und einem inklusiven Umgang verhelfen. Teilnehmer:innen konnten Gesprächen und Workshops, welche zwischen Ethik, Kultur und Bildung angesiedelt sind lauschen oder selbst aktiv werden.

Neben der vorhandenen Installationen des Dalli Dalli Art Kollektivs fanden bis zuletzt noch zahlreiche weitere Kunstwerke von Teilnehmer:innen der Workshops, sowie ein posthum ausgestelltes Werk des örtlichen Künstlers, Martin Heilig einen Platz. Das interdisziplinäre Künstler:innen Kollektiv verband innerhalb der temporären Zwischennutzung diverse Subkulturen und etablierte Institutionen, Kunst, sowie einen therapeutischen Ansatz innerhalb einzelner Rahmenveranstaltungen.

Sozialer Diskurs

Was den meisten Kulturschaffenden als gemeinsamer Weg wichtig ist, wurde im intuitiven und offenen Diskurs miteinander klar: die Verbindung von Kunst und Raum als universelles Leitmotiv für gemeinsame Veränderung. Diesem roten Faden folgend, führte das Kollektiv mit Teilnehmer:innen über eine Woche lang freie soziale Dialoge und förderte die gemeinsame Ideenfindung zur Umsetzung einer inklusiven Gesellschaft zwischen Klein- und Großstädten. 

Nach zehn Tagen bleiben jedoch Fragen nach der Menschenwürde für viele der teilnehmenden Künstler:innen angesichts von Krieg, Inflation, Klimakrise und politischer Vertreibung weiter offen. Auch Themen wie Gentrifzierung, politisches Kalkül und Nachhaltigkeit sind nur einige der weiteren Themen, welche während der temporären Zwischennutzung diskutiert wurden. Egal ob in Biberach oder Berlin.

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