Helmut Newton. Brands

Kunst und Kommerz

Helmut Newton unterschied kompositorisch und stilistisch nicht zwischen dem Zeitschrifteneditorial und den unmittelbaren Aufträgen solcher Kunden, vermittelt häufig über Werbeagenturen. Unter den Fotografien sind viele unbekannte Motive aus Newtons Kooperationen mit international bekannten Häusern wie Swarovski, Saint Laurent, Wolford, Blumarine oder Lavazza. Selbstironisch nannte er sich „A Gun for Hire“ – und so hieß auch die posthume Ausstellung seiner kommerziellen Fotografie, die 2005 zunächst im Grimaldi-Forum in Monaco und anschließend seiner Berliner Stiftung im Museum für Fotografie zu sehen war.

Haute Couture und Prêt-à-porter

Die Ausstellung knüpft an „A Gun for Hire“ an und präsentiert Newtons Aufnahmen, die vor allem in den 1980er- und 90er-Jahren für zahlungskräftige Werbeagenturen und Industriekunden entstanden sind, und zwar meist in und um Monaco.

In den vorderen drei Ausstellungsräumen begegnen uns Modebilder im Luxussegment, beispielsweise Newtons Versionen der damals aktuellen Mode von Yves Saint Laurent, Haute Couture oder Prêt-à-porter-Entwürfe. Seine fotografischen Inszenierungen sind von Saison zu Saison so unterschiedlich und individuell wie die Damenbekleidung selbst; jenseits aller Realitätsbezüge entführen sie uns zuweilen in ferne gedankliche und exotische Sphären.

Anzeige des Couturiers Yves Saint Laurent: zu sehen ist eine Frau in einem asymmetrischen Kleid aus goldenem Lamé.
Helmut Newton, Advertisement for YSL, Monte Carlo 1991, © Helmut Newton Foundation

Auftragsarbeiten und langjährige Kollaborationen

Daneben werden Newtons Auftragsarbeiten für Wolford ausgestellt, die 1993 und 1994 als Kalender für exklusive Kunden publiziert wurden. Genutzt wurden diese Fotografien auch für Strumpfhosenverpackungen wie für riesige Formate auf Billboards, Linienbussen und Hausfassaden. Die Frauen in den Strumpfhosen und enganliegenden Bodys werden so mitunter zu Giganten im öffentlichen Raum. Weiterhin finden sich in den ersten drei Räumen der Ausstellung Werbebilder unterschiedlicher Designer für die amerikanische Luxuskaufhauskette Neiman Marcus sowie Beispiele aus Newtons langjähriger, enger Zusammenarbeit mit Anna Molinari und deren Label Blumarine, unter anderem mit den Modellen Monica Bellucci, Carla Bruni oder Carré.

Für all diese Werbekampagnen gilt gleichermaßen: Bekannt wurden immer nur einige wenige ausgewählte Motive, die Newton zu Lebzeiten in seine Ausstellungen und Bücher integrierte. Die Ausstellung „Helmut Newton. Brands“ bietet erstmals die Möglichkeit, innerhalb einer Ausstellung die gesamten Bildserien zu sehen.

Der Klassische Newton Stil

Im Hauptraum der Helmut Newton Stiftung sind weitere „neue“ Bildmotive zu entdecken: Aufnahmen, die Newton für die Tabakwarenfirma Dannemann, für den Turiner Kaffeeröster Lavazza, den italienischen Winzer Ca‘ del Bosco oder die Schweizer Uhrenmanufaktur Paul Picot machte. Auch diese Motive entstanden in den 1980er- und 90er-Jahren, jeweils sehr individuell, an der Marke und ihren Angeboten orientiert und doch im „klassischen“ Newton-Stil.

Eine Frau mit offener Bluse, langem Rock und einer Augenbinde vor einer Mauer auf der Lavazza geschrieben steht.
Helmut Newton, Lavazza Calendar, Monte Carlo 1993, © Helmut Newton Foundation

Ergänzt wird die Präsentation im hinteren Ausstellungsraum durch Bilder weiterer Kollaborationen, u. a. mit dem Kristallschmuckhersteller Swarovski, mit Volkswagen, Italdesign, Alberta Ferretti und Chanel. Mitte der 1970er-Jahre realisierte Newton sogar zwei Werbefilme für das berühmte Parfüm Chanel No 5 mit Catherine Deneuve. Polaroids, analoge Kontaktbögen ausgewählter Werbe-Shootings, Look Books der Modekunden sowie einige Anzeigen in Magazinen sind in Vitrinen ausgebreitet und verweisen auf die unterschiedliche Verwendung von Newtons Werbefotografie.

Die Zusammenarbeit mit Modefirmen jenseits des Editorials begann in Newtons Werk bereits recht früh; von 1962 bis 1970 arbeitete er beispielsweise für Nino-Moden aus Nordhorn, das damals größte deutsche Textil-Unternehmen, oder 1968 für den Londoner Biba-Katalog. So inszenierte Newton jahrzehntelang Alltags- und Luxusprodukte und wurde mittels seiner visuellen Umsetzungen und deren Veröffentlichungen zum Verbindungsglied zwischen den Produzenten und Konsumenten. Seine Bildgeschichten waren universell verständlich, konnten also problemlos in unterschiedlichen, nationalen Magazinen des gleichen Verlages veröffentlicht werden, gleichgültig ob als Editorial oder als Werbung.

Überblicksausstellung zu Newtons Werbefotografie

Diese Werkgruppen von Helmut Newton sind erstmals Bestandteil einer Überblicksausstellung zu seiner Werbefotografie. In diesem meist unterschätzten und gleichzeitig so wirkungsmächtigen Bereich angewandter Fotografie geht es um die zweckmäßige Visualisierung von konkreten Produkten, im Fall von Newton um Damenstrumpfhosen, Abendkleider, Kaffeepulver, Fernsehgeräte, Sägeblätter, Tafelsilber, Rotwein, Autos, Armbanduhren, Modeschmuck und Zigarren.

Mal werden die Gegenstände von Newton exponiert, ja sprichwörtlich auf einen Sockel gehoben, mal marginalisiert. Letztendlich stellt die angewandte, kommerzielle Fotografie, die für Werbezwecke verwendet wurde, einen der wichtigsten Aspekte in Newtons Werk dar. Und deshalb ist die aktuelle Ausstellung „Helmut Newton. Brands“ mit über 100 nahezu unbekannten Fotografien im Hinblick auf die systematische Werkerschließung so wichtig.

Eine Frau lehnt über eine Brüstung, Sie trägt ein enges schwarzen Kleid mit langem Gehschlitz und Highheels.
Helmut Newton, Mario Valentino, Monte Carlo 1998, © Helmut Newton Foundation

Helmut Newton. Brands

03.12.2022 bis 14.05.2023
Museum für Fotografie

Eine Sonderausstellung der Berliner Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie, Staatliche Museen zu Berlin.

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