Es gibt vermutlich mehr als tausend Gründe warum Clubs und andere kulturelle Einrichtungen vor dem Abriss bewahrt werden sollten. Einer davon ist sicherlich die Zugehörigkeit einzelner Communities, die sich um ihre Mitglieder kümmern und zudem die Möglichkeit bieten sich als Individuum frei und sicher in den Safe Spaces entfalten zu können. Musik und Tanz werden durch Clubbetreiber:innen als kulturelles Bindeglied eingesetzt und zeigen der Gesellschaft entgegen dem Drang der Gentrifizierung, wie wichtig es geworden ist, unsere bunte und diverse Kultur am Leben zu erhalten.
Warum wir Clubs einen besonderen Status in der Demokratie einräumen sollten:
In der aktuell bedrohten Clubszene jedoch ist jede:r willkommen, auch wenn die Clubs und kulturelle Institutionen inzwischen gestiegene Kosten an die Besucher:innen weiter geben müssen und damit das Ausgehen oder der Besuch einer Ausstellung zu einer Art Luxus geworden ist. Kulturelle Teilhabe ist somit etwas, dass sich nicht mehr alle leisten können.
Auch die denkmalträchtigen, jedoch von der Senatsverwaltung ignorierten und deshalb durch die Clubszene genutzten Gebäude, müssten zudem für die Nachwelt geschützt werden. Sie verkörpern ein authentisches, historisches und gewachsenes Stadtbild, welches von den Städtebaulichen Maßnahmen ebenso bedroht ist, wie aktuell unsere subjektiven und bereits durch die Folgend der Covid-19 Pandemie erheblich eingeschränkten Freiheitsrechte.
Dennoch bedeutet der geplante Ausbau der A100 einen erhöhten Leistungsdruck für Clubbetreiber:innen, welches es Kulturschaffenden zusätzlich erschwert, soziale und öffentliche Räume zu erhalten oder den Kulturbetrieb im Sinne aller Bürger:innen weiter zu führen. Gerade die Berliner Clubs sind Orte an denen kulturelle und soziale Diversity frei gelebt und neu ausgehandelt werden kann. Diese Einrichtungen leisten damit einen signifikanten Beitrag für die Demokratie des ganzen Landes und offerieren besonders Menschen mit Migrationshintergrund zahlreiche Jobs und somit Integrationschancen.
Berliner Clubs fördern die Wirtschaft, stärken die Gemeinschaft und leisten soziale Arbeit.
Nicht nur der lokale Tourismus profitiert von diesen Orten als kulturelle Zentren und Einnahmequelle, sondern auch die Gesellschaft, die soziale Spannungen angesichts gestiegener Preise und Kriege immer seltener aushalten kann. Die graue Bilanz des Berliner Baubestandes und der Energie Aufwand eines Abrisses, wird beim Ausbau von Autobahnen zu Gunsten der Autofahrer jedoch komplett hinten angestellt. Zudem stehen mit dem Abriss und der Verdrängung zahlreiche Jobs auf dem Spiel, insbesondere wenn Clubs und kulturelle Zentren dem Ausbau der A100 weichen müssten.
Die Folge davon wäre ein Verlust dieser Orte und das Verschwinden diverser Kulturschaffenden und deren geleisteter sozialer Arbeit, sowie die Netzwerke die auf kultureller und wirtschaftlicher, sowie künstlerischer Ebene entstanden sind. Ein Verlust den Berlin sicherlich nicht mit Förderungen oder der Forderung nach mehr Verständnis aufwiegen kann, da die Stadt durch eine Erweiterung der Autobahn auch für die Anwohner:innen nicht unbedingt attraktiver wird.
Marginalisierte Gruppen müssen sich im Übrigen seit je her dem Gros einer vermeintlich demokratischen gefällten Entscheidung unterwerfen, ohne jedoch ein ernsthaftes Mitspracherecht bei kollektiven Entscheidungen zu besitzen. Besondern dann, wenn sie von den Konsequenzen direkt betroffen sind. Diese sozio-kulturellen Orte sind jedoch auch Plätze einer direkt gelebten und diversen Demokratie und des gesellschaftlichen Austausches. Sie werden somit auch zu ein Politikum, welches nicht ohne eine kollektive Entscheidung durch die betroffenen oder zunehmend verdrängten Parteien geschehen sollte.
Subjektive Menschenrechte oder mehr Verkehr? Wird der Berliner Senat dieselben Fehler begehen?
Gerade die Awareness Teams dieser Institutionen helfen allgemeine oder subjektive Diskriminierung vorzubeugen und zum Beispiel Menschen wie Transpersonen oder Menschen mit Behinderung dabei, ihre eigenen Persönlichkeiten ohne Ängste in den sozialen und kulturellen Räumen frei entfalten zu können. Sich an diesen sozio-kulturellen Orten vor übergriffigem Verhaltensweisen zu schützen ist nur ein Teilaspekt der sozialen Arbeit innerhalb der Szene.
Diese Form der sozialen Netzwerke wie durch die Berliner Clubcommission, dem Berliner Tag der Clubkultur bzw. das umfangreiche Care Work der Clubbetreiber:innen und der damit einhergehenden Fürsorge für Mitmenschen ist ein essenzieller Bestandteil unserer hart umkämpften Demokratie wie wir sie heute kennen, schätzen und damit auch verteidigen müssen. Sind diese Räume, Kollektive und Institutionen durch städtebauliche Maßnahmen weiter bedroht, ist auch die Demokratie in ihrer Vielfalt und Meinungsfreiheit, sowie in den subjektiven und individuellen Persönlichkeitsrechten aller bedroht.
In diesen Safe Spaces werden soziale Ängste vor sozialer Verdrängung durch die Clubbetreiber:innen, deren Teams und dem Engagement von kulturellen Einrichtung abgefedert. Besonderes Augenmerk liegt auf den Institutionen, welche sich für den Erhalt bereits bestehender Gebäude und kultureller Einrichtungen einsetzen. Sie leisten aktiv einen Beitrag für die Gesellschaft in dem sie Menschen die Möglichkeit geben, sich aus Depression, Armut und Arbeitslosigkeit zu befreien.
Der Appell an die Vernunft und der Wunsch nach sozialer Teilhabe und Mitbestimmung.
Wir sollten also genauestens prüfen, ab welchem Punkt eine Autobahn für eine Demokratie wichtiger ist, als ein über Jahrzehnte gewachsenes Umfeld in denen Menschen sich frei und sicher bewegen können und welches wiederum auch die lokale Wirtschaft fördert. Die Berliner Clubs haben ebenso viele Vorzüge wie ein überholter Plan der A100, welcher am Ende nur Menschen mit dem Luxus eines eigenen Fahrzeugs nutzt und zudem der Umwelt nachhaltig schadet.
Von daher muss das eine nicht zwangsläufig wichtiger sein als das andere und deshalb sollte auch ein Kompromiss für alle Beteiligten des Streits gefunden werden, bevor Berlin sich weitere Möglichkeiten und Chancen der gesellschaftlichen Teilhabe zu Gunsten eines erhöhten Verkehrsaufkommens innerhalb der Stadt unwiederbringlich verwirkt. Der Berliner Senat und die Bürger:innen haben nun einmalig die Chance, nochmal in sich zu gehen und sich gegen die Zerstörung einer gelebten Demokratie zu entscheiden. Wir können aber auch dieselben Fehler wiederholen, wie es in der Geschichte Berlins bereits viel zu oft geschah und uns dann über das Resultat eines kulturell zerstörten Stadtbildes wundern.
Header Image: Jascha Müller-Guthof, Veranstaltung: Tag der Clubkultur 2022, Lucie & The Sluts, Loophole
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