Das melancholisch klingende Album über Trennungsschmerz und Sehnsucht nach gemeinsamen Werten lässt nur ansatzweise erahnen, was sonst noch in den sensiblen und hochintellektuellen Köpfen der Band steckt. Mit einer Mischung aus synthetischen Klängen, schweren Gitarrenriffs und ihrer weißrussischen Eigenart füllte Molchat Doma in kürzester Zeit den vollends ausverkauften Saal.
Bereits zu Beginn erschien mir der Eintritt in einen Club wie dem Astra-Berlin, wie ein Übergang nach Weißrussland selbst, welches an diesem Abend nur Gäste unter den höchsten Sicherheitsbestimmungen und der Einhaltung aller nur erdenklichen Corona-Maßnahmen willkommen hieß. Neben des Impfnachweises, musste natürlich auch ein Negativ Test vorgezeigt werden, was die Besucher wiederum nicht vom Körperkontakt und Engtanz abhielt; und zwar noch bevor die Vorband damit begann den Saal aufzuheizen. Aktuell stellt sich wiederum die Frage, wie lange dieser Zustand von der chronisch unterfinanzierten und bis dato relativ geringfügig subventionierten Kulturszene getragen werden kann, angesichts steigender Zahlen in sämtlichen Lagern.
3G,..2G,..2G+
Besonders Backstage konnte das geschulte Augen weitere Maßnahmen zur allgemeinen Sicherheit begutachten. Anders als bei Altrockern und der typischen Berliner Orgie, befanden sich auf dem Tisch im Salon feinsäuberlich aneinander gereihte Linien mit negativen Schnell-Tests, anstatt der üblichen Lines of Coke. Weniger ein Armutszeugnis der kulturellen Szene als der Beweis, dass auch eingefleischte Punkcharaktere ihrer kommunistischen Pflicht sehr wohl nachkommen.
Ob die allgemeine Testpflicht, die fortan überwiegend für die geimpften eine zusätzliche Versicherung bildet, das aktuelle Chaos zu verhindern vermag, wage ich persönlich zu bezweifeln. Faktisch wird jedoch in Kürze das Militär diese Aufgabe unter der Leitung von General Carsten Breuer in die Hände nehmen, wie die Ampelregierung bereits zu Beginn der Woche verkündete. Der Beginn des kalten Krieges 2.0?
Backstage, Backwards und der Beginn eines neuen Kapitels
Zweifelsfrei muss die Punkattitude eine völlig andere sein in Bellaruss, denn die dreiköpfige Band hielt sich in meiner Anwesenheit überwiegend bedeckt. Besonders was die aktuelle Situation oder weitere Interview Fragen zum Thema Zukunft anging. Die folgenden Konzerte der Naturtalente mit Gespür für das subversive des aktuellen Zeitgeists, sind jedenfalls vorerst verschoben worden. Ähnlich wäre es dem Konzert am 30. November in letzte Minute fast ergangen.
Das Setting selbst erinnerte mich stark an eine glamouröse Reminiszenz der DDR oder eines russischen Clubs mit den hölzerne Regalen und der schweren Einrichtung aus den frühen 1980ern. Es wurde diskutiert, gewitzelt, spekuliert und so entstanden auch einige Bilder, derer es keine weiteren Worte bedarf. Um das Bild abzurunden bleibt nur zu betonen, dass sich das Ensemble eher bodenständig verhielt bevor sie in die Lounge umzogen und ich mich für den wundervollen Abend bedankend in die Nacht verabschiedete.
Babylonische Zeiten liegen noch vor uns…
Zuletzt wanderte ich durch den leeren Konzert Raum und fragte mich, wie wohl die nächsten Wochen für diese Hallen der Freiheit und der kulturellen Entfaltung verlaufen werden? Wohl ein vorerst aussichtsloser Kampf um die Kultur, wie mir auch die Mitarbeitende “Anni” an der Garderobe nochmals bestätigte. Sie wisse selbst auch nicht, wie es bis zu den Feiertagen oder danach weitergehen soll. Das Astra-Berlin hat ebenfalls bereits sämtliche der im Dezember geplanten Veranstaltungen abgesagt.
Nachdem bereits zuvor sämtliche sozialen Zusammenkünfte im Kulturraum auf 2G+ gestutzt worden waren, gleicht das Plus nach dem G inzwischen einem „cris de coer“ der resignierten Bundesregierung gepaart mit der verworrenen Vorstellung einer designierten Regierung die klaffende Wunde der Gesellschaft durch mehr Bürokratie zu veröden. De Fakto mangelt es nicht an der Bereitschaft der kulturellen Vertreter in diesem Land, aber an den finanziellen Mitteln und den digitalen Tools, um die Pandemie solidarisch einzudämmen, ohne dabei ganze Branchen absterben zu lassen.
Endzeitstimmung für die einen, Hoffnung für die anderen, doch wird es uns gelingen einen Kompromiss zu finden?
Zu guter Letzt wird die finale Debatte um die allgemeine Impfpflicht des zukünftigen Kanzlers Olaf Scholz weiter die Gemüter aller Seiten in dieser instabilen Situation befeuern. Diese soll aber, vorausgesetzt sie kann sich im Bundestag durchsetzen, erst im Februar oder März des nächsten Jahres in greifbare Nähe rücken. Experten hingegen empfinden diese drastische Kehrtwende der Ampel jedoch als verspätet, da die aktuelle Prognose einen weiteren Lockdown nicht mehr ausschließen. Den Besucher*innen stand der leise Hoffnungschimmer jedenfalls in die Gesichter geschrieben.
Bis zur “Normalität” bleibt wohl noch ein harter Weg der Selbstdisziplin für all jene in diesem Land zu gehen, deren Broterwerb von Öffentlichkeit und Gesellschaft anhängig ist.
Quellen:
- Spektrum
- Tagesschau
- NDR
#Dialogue
5 responses to “Zwischen Post Punk und Pre-Lockdown”
[…] der Sorge vor dem nächsten Fall aus der Hierarchie dieser Post-Corona Gesellschaft gefeit. Why wir um und nicht an diesen Orten kämpfen sollten, ist einer der großen Fragen die der Herbst vermutlich zeigen […]
[…] ihm gegenüber gewesen wäre, beschrieb den Moment an dem ich ihm noch mehr von mir anvertraute. Besonders nach COVID hatte ich gehofft, dass mir auch etwas zurückbleiben würde. Doch die einsame Bitterkeit gehörte mir nicht, sie kam nicht von mir und ich widerstrebte mich […]
[…] In each localised context across the world, the term “marginalised” could include but is not limited to groups that are excluded due to race, gender identity, sexual orientation, age, physical ability, language, and/or immigration status, and this varies from place to place. The collaborative manifesto encourages nighttime curators, promotors, venue owners, the community, labels, performers and advocates to work together to think critically about their local contexts. […]
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