Pornos und andere soziale Faktoren
Skandal oder nicht, Pornos gehören seit circa 200 Jahren zum gesellschaftlichen Leben und bilden somit jede menge Sprengstoff für den politischen Diskurs. Sind sie wirklich schädlich oder helfen sie uns besser zu verstehen, was wir tatsächlich im Bett wollen und was nicht? Dies ist nur eine der vielen Fragen, denen sich Madita Oeming in ihrem Buch Porno – eine unverschämte Analyse widmet.
Doch so unverschämt wie der Titel klingt ist die Analyse gar nicht, denn die Autorin beweist in ihrem Buch anhand von Studienergebnissen, öffentlichen Debatten und historischen Referenzen, dass dieses Thema noch lange nicht vollends in seiner Ambivalenz diskutiert wurde, wie es Vertreter der konservativen Lager oder der eingefleischten Feministin:innen gerne präsentieren.
Die Geschichte des Pornos
Was mit historischen Funden aus Pompei oder zensierten Werken der Weltliteratur begann, entwickelte sich seit den 1970er Jahren zu einem Massenmarkt, der schließlich durch den Demokratisierungsprozess des digitalen Zeitalters in viele private Haushalte Einzug hielt. Oeming reüssiert dabei die Geschichte des pornografischen Material vorausgegangener Epochen und beleuchtet eindrücklich die Wechselwirkung des vermeintlich schmuddeligen Inhalts auf die „hilflosen“ Betrachter:innen.
Über die angeblichen Folgen für die Gesundheit, weiß Oeming ebenfalls einiges zu berichten und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Was in Porno – eine unverschämte Analyse jedoch immer wieder als Fazit deutlich wird, ist die Wichtigkeit der sachlich geführten Diskussion über den Konsum des Mediums.
Die Ambivalenz zwischen Unterhaltung und Kunst
Ambivalenzen und historisch gewachsenes Wissen zur Sexualität des Menschen gehören dabei genauso zu ihrem Diskurs, wie die Wirkung des Mediums als leerreiches, sowie gleichsam unterhaltendes Mittel. Während vielen Menschen, darunter vor allem Frauen, die Befriedigung oder der Orgasmus über Jahrhunderte hinweg verwehrt blieb, verhalf vor allem der bewusste Konsum von Pornografie auch zu einem selbstbewussteren Ausleben der eigenen Sexualität in den letzten 50 Jahren.
Oeming beleuchtet dabei aber nicht nur die generellen Vorzüge der in Pornos dargestellten Sexualität, sondern geht auch auf Fantasien ein, ohne diese direkt zu verurteilen. Was hingegen von der Autorin klar gestellt wird ist, dass der Konsum von Pornos eben nicht nur unterhaltsam sein kann, sondern auch in manchen Fällen die von Feminist:innen angeprangerte Gewalt darstellt und sie zugleich hinterfragt.
Der schmale Grad
Oeming zieht hierbei eine feine, dennoch deutliche Linie zwischen stimulierenden Inhalten und expliziten Gewaltdarstellungen. Sie schlüsselt die Nutzung solcher Filme, die Gewalt zeigen auf und klassifiziert diese, welche ethisch und gesetzlich nicht mehr in den Bereich des Lustgewinns fallen sollten.
Manche Kapitel zeigen dabei nur einen Bruchteil dessen, was durch den Gesetzgeber verboten ist, wobei die Autorin immer wieder klarstellt, wo die Grenze zwischen Phantasie und Realität verlaufen sollte und z.B. anhand von Kinderpornografie, ab wann es zu einer generellen Zensur kommen muss.
Rollenbilder und queres Leben
Trotz gängiger Stigmatisierung der Pornografie im intellektuellen Diskurs, stellt sich Oeming bewusst gegen Klischees, welche das Medium als gewaltverherrlichend oder süchtig machend darstellen. Sie findet dabei nicht nur die schlagfertige Argumente für oder gegen den Konsum, sondern geht eindrücklich auf die gewachsenen Vorurteile ein und hinterfragt diese auf ihre Aktualität sowie deren Richtigkeit.
Dadurch entsteht ein neues Bild des Pornos für die Gesellschaft, sowie ein ehrliches Abbild der teilweise nur in Pornos sichtbaren queren Lebenskonzepte. Während quere bzw. gleichgeschlechtliche Präferenzen oftmals nur einseitig und von heterosexuellen Darsteller:innen in Pornos abgebildet werden, definiert Oeming Begriffe des queeren Aktes in ihrer Analyse neu und nimmt Ängste vor dem offenen Umgang mit dem Sujet.
Sie greift dabei gängige Verhärtungen im Diskurs unverblümt an und entlarvt diese als politisch instrumentalisierte und zum Teil inhaltslose Fehlinterpretationen der gelebten oder in Pornografie inszenierten Realität. Dadurch entsteht ein authentisch gezeichnetes Portrait einer offenen Gesellschaft, die sich durch Medienkompetenz und nicht durch Medienkonsum definiert.
Gesundheitliche Folgen des Konsums
Offen bleibt jedoch, ob gesundheitliche Folgen des Pornokonsums wirklich bestehen. Denn auch die Analyse Oemings kann diesem hartnäckigen Mythos ebenfalls nur in Teilen bekräftigen oder gänzlich widerlegen. Jedenfalls lohnt es sich auch als nicht Konsument:in von Pornografie sich mit der Ambivalenz und den soziologisch, bzw. kulturellen Aspekten des Themas anhand dieses präzise skizzierten Buches auseinander zu setzen.
Was den Genuss von Pornografie als erregendes und unterhaltendes Medium für die Menschheit so spannend macht, dürfen Sie selbst in dem Buch Porno – eine unverschämte Analyse von Madita Oeming nachlesen. Schämen muss sich jedenfalls nach dem Lesen des Buches niemand mehr. Zudem bleibt interessierten Leser:innen Raum für ein eigenes Bild des Mediums in dem detailreichen, progressiven und popkulturell signifikanten Buch der Autorin.
Mehr über das Buch Porno – Eine unverschämte Analyse von Madita Oeming erfahren Sie hier.
Das Buch erschien im Rowohlt Verlag.
Images: We Vibe Toys via Unplash
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