Das POP-Kultur ist eines der wenigen Festivals in Deutschland, welches wirklich jede:n willkommen heißt und mit einem vollen Programm ein diverses Publikum und Besucher:innen aus aller Welt anzieht. An insgesamt drei Tagen wurden Konzerte, Pannel Diskussionen, Filme, eine Karaoke Show und weitere künstlerische Arbeiten, kosmissioniert durch die POP-Kultur und durch den Berliner Senat für Kultur und Bildung gefördert gezeigt.
Wir waren an zwei von drei Tagen mit unserem Team des B’SPOQUE magazines live und in Farbe mittendrin anstatt nur dabei. Ein kleiner Eindruck des allumfassenden und weitestgehend barrierefreien Konzepts und der Acts vom POP-Kultur Festival 2023.
Der Eröffnungstag
Evîn, Çaystube
Die Newcomerin Evîn trat dieses Jahr in der Çaystube auf und bildete somit den Auftakt für den Mittwochabend auf dem Festival. Neben rhythmischen Balladen und jeder Menge Pop, brillierte sie vor allem mit ihren lyrischen Texten und ihrer kräftigen, wie zugleich feinen Stimme, welche das Publikum zum Tanzen mit viel Gefühl unter freien Himmel einlud.
Junior Boys, Kesselhaus
Die etwas düsteren und tanzbaren Sounds der Band Junior Boys sind mir seit Jahren bekannt und auch in der einen oder andern Playlist untergekommen. Live wiederum konnte ich mich von den Sounds der Junior Boys, die an die 1980er und -90er Jahren erinnern, zum Tanzen verleiten lassen und mich unter die Menge mischen, welche den Auftritt bereits lange erwartet hatte.
T’neeya, Maschinenhaus
Besonders gefreut habe ich mich darüber eine der Künstlerinnen auf der Bühne zu sehen, die ich bereits seit Jahren persönlich kenne: T’neeya. Die Sängerin hatte den Besucher:innen des Maschinenhaus ordentlich eingeheizt und mit ihrer Stimme, sowie dem Mix aus Afrobeats, ein bisschen Hip-Hop, R&B und Jazzeinflüssen zum ausgelassenen Feiern eingeladen. Auch wenn es leider nur für die letzten zwei Songs gereicht hat, war die Stimmung so dermaßen angeheizt, dass es keinen von uns gewundert hat, warum der Saal brechend voll war.
Charlotte Brandi, Palais
Irgendwie klingt Charlotte Brandi mit ihren sphärischen Sounds nach einem ätherischen Wesen, welches sich zwischen jiddischen Melodien, Jodeln und Art-Pop angesiedelt hat. Das sind vermutlich alles falsche Beschreibungen, denn beim genauen Hinhören sind ihre Stimme und die Flint-feministischen Themen in ihren Songs in einer ganz anderen Welt angesiedelt, welche die Besucher:innen des Palais in einen ganz eigenen Bann zogen.
Tanzbar, outstanding und zugleich höchst fraglich bewegte sich die Sängerin am Eröffnungstag zwischen leisen und eher sanften Melodien oder extremen Spitzen. Begleitete wurde sie dabei von einem Schlagzeug und einer E-Gitarre, welche dem Mix und Match der Künstlerin den letzten Schliff verliehen und eine magische Atmosphäre für die Gäste im Palais schufen.
Thank G*, it’s Friday…
Fheels, Palais
Viel Gefühl, rockige Balladen und tiefberührende Texte: das sind die Keywords für die alternative Rockband aus Hamburg, welche Freitag Abend das Palais füllten. Neben den elaborierten Gitarrenriffs der Band, überzeugt vor allem die Stimme des Frontsängers und brachte die Herzen der Besucher:innen der POP-Kultur zum schmelzen. Doch was an diesem Abend dem Publikum vielleicht nicht bewusst war, die Möglichkeit an einem solchen Festival barrierefrei teilnehmen zu können, ist nicht immer gegeben und so erinnerte die Band zwischendurch an das Privileg aller, sich auf der POP-Kultur wie zu Hause fühlen zu können und die Tatsache, dass die Sichtbarkeit von Menschen mit einer Behinderung noch immer ein harter Kampf um gesellschaftliche Gleichberechtigung bedeutet.
Lola Marsh, Kesselhaus
Höhen und Tiefen wissen die Bandmitglieder von Lola Marsh wohl wie keine der anderen in ihren silbrig-melancholischen Sounds einzufangen, denn Herzschmerz, Weltschmerz und ekstatisches Tanzen schließen sich bei Lola Marsh nicht aus. Während die Frontsängerin nur eine Stunde in der Nacht zuvor geschlafen hatte, sah man ihr auf der Bühne jedenfalls keine Müdigkeit an, denn bis zum Ende des Konzerts animierte die Band die Besucher:innen sich aktiv mit Körper und Stimme zu beteiligen. Dabei erinnern die Songs an die Anfänge von Lana Del Ray und verbinden Gefühle wie Trennungsschmerz mit einer gewissen Leichtigkeit des Neubeginns oder dem Gefühl sich selbst in der eigenen inneren Mitte zu begegnen.
Dina Summer, Maschinenhaus
Queere Musiker:innen und Bands sind leider immer noch rar gesät auf dem Mainstream. Ebenso Festivals die Menschen mit einer Behinderung in den Vordergrund stellen. Nicht so auf der POP-Kultur und dem Set von Dina Summer. Dort gab es Disco-Beats, eine Lightshow und jede Menge queere Sequenzen der Club Culture zu bestaunen. Tanzbare Beats mischten sich mit der Berliner Club Culture und jeder Menge Spaß, bei der sich die Besucher:innen ganz fallen lassen und ekstatisch tanzen konnten.
Stella Sommer, Palais
Emotionsgeladen und zugegebenermaßen mit eher leisen Tönen lieferte Stella Sommer im Palais eine Show von Herzen und für das tiefere Gefühl. Die Melancholie und der Herzschmerz sind dabei die zentralen Themen von Stella Sommer in ihren Lyrics, sowie in ihrer Bühnenpräsenz. Sanfte Klavierpartituren und asymmetrische, teilweise gebrochene Klänge mischten sich mit hochemotionalen Instrumentals und fragilen Vocals der Künstler:innen hinter und durch Stella Sommer.
Fishbach, Palais
Insgesamt an zwei Abenden trat die Französin auf dem Festival auf und bezauberte das Publikum mit einer Mischung aus elektronischen Balladen und extravaganten Disco-Beats. Freitag Abend schloss sie schließlich das Festival ab und heizte nochmals das randvolle Palais ein, während sie bei einigen Songs sogar, getreu ihrem Markenzeichen, genüsslich auf der Bühne eine Zigarette rauchte.
Die emotionsgeladenen Chansons mit elektronischem Background erinnern an lange Nächte in den großen Pariser Clubs oder an laue Sommertage an südfranzösischen Strandbars und sind der Redaktion bereits seit einigen Jahren als Stimmungsaufheller für graue Tage im Office bekannt. Wer Fishbach bisher nicht kennt, hat hier die Gelegenheit einige ihrer wunderschönen und zugleich dramatischen Songs genauer unter die Lupe zu nehmen.
Gesellschaftspolitische Statements auf dem Gelände
Last but not least gab es zu den Konzerten und anderen musikalischen Highlights natürlich auch kritisches und für den sozialen Diskurs wichtiges zu entdecken. Die Çaystube war ringsum mit anonymen Statements aus der Music Community zum Thema #MeToo eingekleidet und wies damit nochmals ausdrücklich auf die Agenda des Festivals hin: gegen Diskriminierung, Rassismus, Ausgrenzung, Victim Blaming und vor allem gegen sexualisierte Gewalt innerhalb der Communities und der Szene.
Neben den Konzerten gab es auch dieses Jahr wieder Comissioned Works, mit dem Ziel die Berliner Club Culture, die sich bekanntlichermaßen von Jahr zu Jahr immer diverser aufstellt und präsentiert, allerdings auch der Bedrohung durch Gentrifizierung entgegen stellt, zu erkunden. Darunter die kleinste Disco der Stadt mit einem Booth von Nikita Netrebko. Wie sich das Nachtleben nach Pandemie und Isolation anfühlt, konnte ich diesem Beitrag nochmals nach empfunden werden. Netrebko’s Arbeit ist ein bewusstes Statement in einer für die Club Culture unstetigen Zeit und entgegen der Ignoranz seitens der Politik, sowie ein Appell an die Besucher:innen selbst aktiv zu werden und diesen Teil der Kultur zu schützen.
Wer es wie ich nicht zeitnah zu den Panels geschafft hat, konnte somit einen Eindruck darüber gewinnen, dass diese wichtige und nachvollziehbar emotionsgeladene Diskussion noch lange nicht zu Ende geführt wurde und wohl auch noch die nächsten Jahre ein Thema bleiben wird, um dem Machtmissbrauch und der sexualisierten Gewalt ein Ende setzen zu können.
Leider verpasst haben wir…
Wegen der vielen parallellaufenden Konzerte und der Länge des Festivals von drei Tagen, verpassten wir leider Drag Syndrome. Die Künstler:innen sind seit längerem immer wieder Teil des Festivals und präsentieren jedes Jahr aufs Neue frische Beats, eine neue Perspektive auf Menschen mit Behinderungen und Bühnenshows, die es in sich haben. Mehr zu den Künstler:innen von Dragsyndrome findet ihr hier.
Ebenfalls schwer zu integrieren waren dieses Mal die anderen Programmpunkte wie Pannel Discussions oder Filme, die während der Konzerte gezeigt und angehalten wurden. Wie ihr es vielleicht bereits ahnt, hatte die POP-Kultur dieses Jahr wieder aus den den Vollen geschöpft und ein breites thematisches Spektrum etabliert, um auch Besucher:innen anzuziehen, die nicht nur auf satte Konzerte gehen wollen, sondern auch intellektuell stimuliert werden möchten.
Themen wie Barrierefreiheit in der deutschen Gesellschaft, standen anderen Kernproblematiken wie der Frage nach gerechter Bezahlung oder der Gerechtigkeit und Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen oder sexualisierter Gewalt in der Musikindustrie entgegen und wurden im Haus der Poesie ausdiskutiert. An den drei Tagen wurden aber auch noch weitere Themen diskutiert. Einen Einblick hierzu findet ihr hier.
Can I kick it? Yes, you can!
Aber genug der schönen Worte: Tickets für das nächste Festival 2024, sowie die ausführlichen Künstler:innen Biografien und ein Einblick über das Rahmenprogramm gibt es auf der Website der POP-Kultur zu finden. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall! Natürlich halten wir euch über News, Termine und die kommenden Acts wie immer auf dem Laufenden!
Header Image: Portrait XO: »Tension« @ RambaZamba Theater – Photo: Camille Blake
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