Auf verschiedenen Ebenen setzt das Schwule Museum gerade Zeichen. Nachdem Mitte September erneut unsere Fassade, die Fenster und die Eingangstür beschmiert wurden, haben unsere Mitarbeiter*innen Jona und Hannah, zusammen mit einer deutsch-brasilianischen Schulklasse, die gerade zu Besuch im Museum war, mit Kreide eine Antwort auf den Bürgersteig gemalt: die aktuelle Version der Progress Pride Flagge. Jetzt erst recht!
Ein genauso entschiedenes Zeichen wird auch unsere neue Ausstellung setzen, die schon am 5. Oktober eröffnet wird. Sie soll den Anstoß geben für einen nicht-abgeschlossenen, durchaus schwierigen, aber gleichwohl empowernden Prozess: „Aufarbeiten: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation“ ist eine Kooperation des Schwulen Museums mit dem Archiv der deutschen Jugendbewegung. Wie viele Einrichtungen, die der wissenschaftlichen Aufklärung und gesellschaftlichen Emanzipation verpflichtet sind, teilen wir ein schwieriges und miteinander verwobenes Erbe.
Aufarbeiten und Prävention
Unsere Magazine enthalten diskursive Dokumente und künstlerische Artefakte, die sexuelle Gewalt und Missbrauch gegen Kinder und Jugendliche rechtfertigen. Als Institutionen mit kulturhistorischer Expertise legen wir den Fokus darauf nachzuzeichnen, wie kulturelle Produktionen – literarische und theoretische Texte und Werke der bildenden Kunst – dazu beitrugen, die Sexualisierung der Körper von Kindern und Jugendlichen zu normalisieren oder sexualisierte Beziehungen von Erwachsenen mit Minderjährigen ideologisch zu legitimieren. Als erstes Projekt seiner Art weltweit, das diese Schattenseite der sexuellen Liberalisierung im Format einer Ausstellung rekonstruiert, wird es, so hoffen wir, bundesweit und international große Aufmerksamkeit generieren und weitere Aufarbeitungs-Projekte anregen.
“Aufarbeiten“ wird gefördert von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Es wird darauf verzichtet, die in der visuellen Kultur so einschlägig normalisierten und normalisierenden Darstellungen sexualisierter Körper von Kindern und Jugendlichen auszustellen. Wir werden einen Raum schaffen, der für alle Besuchenden sicher ist, der dazu einlädt, miteinander ins Gespräch zu kommen, z.B. über die Frage, wie wir zukünftig unsere Geschichte erzählen wollen.
Ausstellungen
Unsere neue Ausstellung “Aufarbeiten: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation” ist schon im Vorfeld auf viel Interesse gestoßen. Laura Dahmer vom Queerspiegel ist mit Kuratorin Birgit Bosold ins Archiv des Schwulen Museums gegangen und hat über das Projekt berichtet. Sie betont am Ende ihrer Reportage ein wichtiges Anliegen der Ausstellung: “Das erste und letzte Wort in der Ausstellung werden Menschen haben, die von Kindesmissbrauch betroffen waren.”
Auch die Siegessäule hat in ihrer Oktober-Ausgabe bereits die Ausstellung angekündigt und Birgot Bosold und Volker Woltersdorff, also zwei der vier Kurator*innen, interviewt. Woltersdorff erklärt darin, warum es wichtig ist, dieses schwierige Kapitel queerer Geschichte im Schwulen Museum zu thematisieren: “Wir glauben, das Format ‘Ausstellung’ hat ein größeres Potenzial, kollektive Aufarbeitung anzuregen, als das bei wissenschaftlichen Studien der Fall ist, von denen es einige gibt. Eine Ausstellung ist nicht nur eine Kopfsache, sondern auch ein soziales Ereignis.”
Weiterhin zu sehen ist unser Dauerbrenner Love at First Fight über (mehr als) 50 Jahre queeren Widerstand in der BRD, der DDR und schließlich im wiedervereinigten Deutschland. Flankiert wird sie, quasi als Vertiefung der ostdeutschen Bewegungsgeschichte, von der Ausstellung lieben.kämpfen.tanzen. 50 jahre Sonntags-Club.
Aufarbeiten: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation | bis 26. Februar 2024
lieben. kämpfen. tanzen. – 50 Jahre Sonntags-Club | 20. Juli 2023 bis 31. Dezember 2023
Love at First Fight! Queere Bewegungen in Deutschland seit Stonewall | bis 31. Dezember
Wir waren schon immer überall: Sexarbeit im Bülowbogen | Audiowalk
JAHR DER FRAU:EN | magazin + archiv
WEITERE INFORMATIONEN ZU DEN AUSSTELLUNGEN
Veranstaltungen
Der Oktober steht ganz im Zeichen unserer neuen Ausstellung “Aufarbeiten”, die am 5. Oktober eröffnet wird. Hier erfahrt ihr, was euch auf der Vernissage erwartet.
Mehr Infos zu unseren Events findet ihr wie immer auch auf unserer Webseite.
Führungen
Aufarbeiten
Samstag, 28.10., 15 Uhr (DE)
lieben. kämpfen. tanzen./ Love at First Fight!
Sonntag, 1.10., 15 Uhr (DE)
Sonntag, 1.10., 16 Uhr (EN)
Samstag, 7.10., 16 Uhr (EN)
Samstag, 14.10., 16 Uhr (EN)
Donnerstag, 19.10., 18 Uhr (DE)
Samstag, 21.10., 16 Uhr (EN)
Donnerstag, 26.10., 18 Uhr (DE)
Samstag, 28.10., 16 Uhr (EN)
Die Führungen sind kostenlos, bezahlt werden muss nur der Museumseintritt.
Fundstücke
Schätzchen des Monats
Bereits 2019 war Jessica Walter im Schwulen Museum, um ihren Valentinstag zu queeren. Vier Jahre später besetzt sie die Vollzeitstelle des wissenschaftlichen Volontariats im SMU. Von ihrer Vorliebe für Vermittlungsarbeit, Zines und dem Mini-Comic ASS-TRO-BOY erzählt sie hier als Schätzchen des Monats Oktober.
Öffnungzeiten Archiv & Bibliothek:
Montag, Mittwoch – Freitag: 14 Uhr – 18 Uhr. Dienstags Ruhetag.
Fundstück
Unser Archiv ist mit etwa 1,5 Millionen Archivalien die größte Sammlung an Dokumenten und Realien zur LSBTIAQ+-Geschichte in Deutschland. Durch Schenkungen von Privatpersonen wächst die Sammlung ständig um kuriose Funde und historisch bedeutsame Gegenstände. Diese stellen wir euch auf Social Media und im Museumscafé vor. Das aufschlussreiche Artefakt im Oktober ist ein kontroverser Flyer mit dem Titel ‘Homosexuelle Lesbische Onanie‘ aus den 1980ern von D. Wilkerson. Dieser bietet Einblicke in den Wandel der Ansichten zur Homosexualität und religiöser Interventionen – zu sehen, wie immer, im Museumscafé und auf Instagram und Facebook!
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