Neue Ausstellung im C/O: Träum Weiter — Berlin, die 90er 

Aufbruchstimmung wie Verlustängste liegen nah beieinander und bilden den Grundton dieser Zeit. Einzigartige Möglichkeitsräume eröffnen sich und führen zur Blüte kreativer Zwischennutzungen. Berlin wird zur Metropole der Subkulturen – gleichzeitig beginnt jedoch auch ein Ringen um die Gestaltung der neuen Hauptstadt und ihres Zentrums. Die Potenziale und Utopien der 90er Jahre haben sich nachhaltig in das Bild dieser Stadt eingeschrieben und prägen es bis heute. 

Agentur OSTKREUZ

Inmitten dieser Umbruchstimmung gründet im Jahr 1990 eine Gruppe von Fotograf:innen aus der ehemaligen DDR die Agentur OSTKREUZ mit Sitz in Ost-Berlin. Diese hat sich seitdem international als eine der wichtigsten Fotoagenturen Deutschlands etabliert.

C/O Berlin zeigt in der Ausstellung Arbeiten von neun Mitgliedern der Agentur OSTKREUZ, darunter der Co-Gründer:innen Sibylle Bergemann, Harald Hauswald, Ute Mahler und Werner Mahler sowie von Annette Hauschild, Thomas Meyer, Jordis Antonia Schlösser, Anne Schönharting und Maurice Weiss. Diese Fotograf:innen beobachten mit genauem Blick die gesellschaftlichen Veränderungen und die Herausforderungen des Zusammenwachsens der ehemaligen Mauerstadt. 

Rund 200 Arbeiten

Die Ausstellung Träum Weiter — Berlin, die 90er präsentiert 35 Jahre nach der Gründung der Agentur OSTKREUZ und im Jubiläumsjahr des Mauerfalls rund 200 Arbeiten. Neben einigen Klassikern sind viele noch unveröffentlichte Bilder aus dem Archiv der OSTKREUZ-Fotograf:innen zu sehen. Diese bekommen mit dem Blick von heute eine ganz neue Relevanz und dienen als Material für ein Stimmungsbild dieser prägenden Dekade. Sie spiegeln eine Stadt im Wandel mit all ihren Ambivalenzen wider – beginnend mit dem Mauerfall über den Tanz in den Ruinen der aufblühenden Technoszene bis hin zu den sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen sowie der Transformation Berlins zur neuen Hauptstadt.

Sie reflektieren die unterschiedlichen Perspektiven der OSTKREUZ-Fotograf:innen und zeigen die komplexen Beziehungen zwischen Mensch und Stadtraum auf.In einer Zeit, in der globale Veränderungen und politische Umbrüche allgegenwärtig sind, bietet “Träum Weiter — Berlin, die 90er “wertvolle Einblicke in die Mechanismen und Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels. Zudem würdigt die gemeinsame Ausstellung die jahrelange, enge Zusammenarbeit zwischen C/O Berlin und der Agentur OSTKREUZ. 

Ausstellung: 14. Sep 2024 – 22. Jan 2025

Träum Weiter — Berlin, die 90er wird von Annette Hauschild (OSTKREUZ) und Boaz Levin  (C/O Berlin Foundation) kuratiert. Zur Ausstellung erscheint eine gleichnamige Publikation bei Spector Books.­

Special  C/O BERLIN x MUBI

Eine Kooperation anlässlich der Ausstellung Träum Weiter — Berlin, die 90er 

C/O Berlin freut sich, die Kooperation mit MUBI, dem weltweiten Verleiher und Arthouse Streamingdienst für kuratierte Filmauswahl, anlässlich der Ausstellung Träum Weiter — Berlin, die 90er fortzuführen. Im Rahmen der Kooperation schenken C/O Berlin und MUBI mit jedem Ticketkauf 30 Tage lang handverlesene Filme an alle Besucher:innen. Inspiriert von den Inhalten der Ausstellung, präsentiert MUBI zeitgleich zur Eröffnung ab dem 13. Sep die kuratierte Filmreihe RECLAIMING SPACES: BERLIN, DIE 90ER. Freuen Sie sich außerdem auf die MUBI Night at C/O Berlin am 16. Nov 2024. Mehr Informationen demnächst. 

Die Filmreihe untersucht die Neugestaltung und Zurückgewinnung von Räumen im sich wandelnden Berlin der Nachwendezeit. Auf unterschiedliche Weise setzen sich die Filme mit der Rückgewinnung von Räumen auseinander und werfen dabei ein Licht auf physische, kulturelle, symbolische und politische Aspekte.

Die Filme MATERIAL von Thomas Heise (2009, Deutschland, Dokumentarfilm), DEALER von Thomas Arslan, (1999, Deutschland, Drama, Krimi), NIE WIEDER SCHLAFEN von Pia Frankenberg (1992, Deutschland, Drama) und LICHTER AUS DEM HINTERGRUND von Helga Reidemeister (1998, Deutschland, Dokumentarfilm) erkunden die Umgestaltung und Wiederbelebung von Orten durch die Besetzung verlassener und urbaner Gebäude, die Schaffung neuer kultureller Räume sowie den Einfluss politischer Bewegungen. Die Filme sind zugleich eine spannende Momentaufnahme der Zeitgeschichte.­

Ausstellung 14. Sep 2024 – 22. Jan 2025

AFTER NATURE PRIZE 24 

After Nature Prize 24: Laura Huertas Millán . Curanderxs / Sarker Protick . অঙ্গার . Awngar 

Das ­C/O Berlin freut sich, vom 14. Sep 2024 bis 22. Jan 2025 gemeinsam mit der Agentur OSTKREUZ die Ausstellung Träum Weiter — Berlin, die 90er, mit Werken von neun OSTKREUZ-Fotograf:innen, die die turbulente Zeit nach der Wende sowie die darauffolgenden Jahre fotografisch dokumentiert haben, zu präsentieren.

Mit Laura Huertas Millán . Curanderxs und Sarker Protick . অঙ্গার . Awngar zeigt C/O Berlin die ersten Gewinner:innen des After Nature . Ulrike Crespo Photography Prize.

Die Verschmelzung von Historischem und Gegenwärtigem

In ihren beiden ausgezeichneten Projekten untersuchen Laura Huertas Millán (*1983, Kolumbien) und Sarker Protick (*1986, Bangladesch) aus unterschiedlichen Perspektiven und geografischen Kontexten, wie koloniale Strukturen die moderne Beziehung zur Natur bis heute prägen. Beide teilen ein tiefes Interesse an der Geschichte und den Ursprüngen unseres Verhältnisses zur Welt. Durch die Verschmelzung von Historischem und Gegenwärtigem nehmen sie globale Zusammenhänge in den Blick und machen das Publikum auf die visuellen Mechanismen aufmerksam, die am Werk sind, wenn sich Vorstellungen von Natur in Fotografie und visuellen Medien manifestieren.

Kaum eine Pflanze ist so umstritten wie die Kokapflanze. In der westlichen Welt wird sie hauptsächlich mit dem Rauschmittel Kokain in Verbindung gebracht, das erstmals im Europa des 19. Jahrhunderts hergestellt wurde und ein gewaltvolles System des Drogenhandels und -missbrauchs hervorgebracht hat. Dass die Pflanze durch ihre heilende und stimulierende Wirkung eine kulturelle und spirituelle Bedeutung für die indigene Bevölkerung der Andenregion hat, verweist auf eine Leerstelle in der Geschichtsschreibung, die nicht zuletzt auf die westliche Wissenshegemonie zurückzuführen ist. Seit 2018 beschäftigt sich die kolumbianische Filmemacherin Laura Huertas Millán in ihren Arbeiten mit der Kokapflanze.

Die Heiler:innen

Die Ausstellung Curanderxs (span. Heiler:innen) präsentiert neben der gleichnamigen Multikanal-Projektion, die im Rahmen des After Nature Prize 2024 neu produziert wurde, zwei weitere Videoinstallationen der Künstlerin. Ausgehend von dem erstmaligen Verbot der Pflanze im Zuge der spanischen Kolonisierung Lateinamerikas entwickelt Huertas Millán in ihrer neuen Arbeit ein spekulatives Narrativ, in dessen Zentrum eine Gruppe weiblich gelesener Personen steht, die im  17. Jahrhundert heimlich Kokablätter verteilten.

Als Reaktion auf die wenigen erhaltenen Quellen nutzt die Künstlerin die Fiktion als Strategie und imaginiert eine fragmentarische Erzählung über die koloniale Vereinnahmung der Natur. In einer Ästhetik, die als Verweis auf die Stille der Archive an den frühen Stummfilm angelehnt ist, treten aus den dunklen Tiefen der Untergrundlandschaften mutige Akteur:innen hervor, indem sie versklavte indigene Arbeiter durch die heimliche Verteilung von Kokablättern unterstützten.

Trauma, Erlösung und die Suche nach Identität

In El Laberinto (2018) kombiniert Huertas Millán Found Footage mit eigenem 16-mm-Material aus Kolumbien. Der Film folgt den labyrinthischen Erinnerungen von Cristobal Gómez Abel, der in den 1980er Jahren für die Drogenbarone im kolumbianischen Amazonasgebiet arbeitete. Dieser führt durch den Wald und die Ruinen einer Narco-Villa, die der amerikanischen Seifenoper Der Denver-Clan aus den 1980er Jahren nachempfunden ist. Durch ihre Bildsprache erzeugt Huertas Millán einen immersiven Raum, der Themen wie Trauma, Erlösung und die Suche nach Identität behandelt. 

Schließlich blickt die Film-Projektion Para la Coca (2024) auf die gegenwärtige rituelle Nutzung der Kokapflanze in der indigenen Community in Kolumbien – jenseits kolonialer Einschreibungen und Kriminalisierung. Abermals gemeinsam mit Cristobal Gómez Abel erarbeitet, erzählt der Film von einem Mythos der Murui, in dem die Kokapflanze als Gottheit in der Gestalt eines Mädchens dargestellt wird, das seine Gemeinschaft über den ethischen Gebrauch der Pflanze belehrt.

Der Film unterstreicht die Bedeutung, diese kulturellen Praktiken zu respektieren und zu bewahren. Mit Curanderxs zeigt C/O Berlin die erste monografische Ausstellung von Laura Huertas Millán in Deutschland und versammelt zudem ihre aktuellsten Arbeiten über die Kokapflanze in einer gemeinsamen Präsentation.

Sarker Protick . অঙ্গার . Awngar

Der bangladeschische Fotograf Sarker Protick spannt in seiner Ausstellung অঙ্গার . Awngar ebenfalls den Bogen zwischen verschiedenen Zeitlichkeiten. Mit Blick auf das historische Gebiet Bengalens, das sich heute über Indien und Bangladesch erstreckt, legt er die Verbindung zwischen der kolonialen Geschichte des indischen Subkontinents und der bis heute andauernden Ausbeutung der dort lebenden Menschen und Ökosysteme offen. 

Seine fotografische Untersuchung gleicht dabei einer Feldforschung. Wie viele seiner Arbeiten ist অঙ্গার . Awngar als Langzeitprojekt angesetzt. Im Fokus steht der Zusammenhang zwischen dem Ausbau von Eisenbahnverbindungen und dem Kohlebergbau im 19. Jahrhundert unter der Kolonialherrschaft des British Empire.

Die brutale Geschichte der Teilung Bengalens

Für Awngar begab sich Protick auf die Reise an verschiedene Orte in Indien und Bangladesch, beispielsweise nach Narayunkuri, Westbengalen, wo sich eine der ältesten Minen Indiens befindet. Oder an die 1,6 Kilometer lange Eisenbahnbrücke Hardinge Bridge – ein Prestigeprojekt, das zwischen 1910 und 1915 erbaut wurde und sich über den Padma River in Bangladesch erstreckt. Bis heute ist sie ein wesentlicher Teil der Infrastruktur des Schienenverkehrs und somit ausschlaggebend für die Mobilität der Arbeiter:innen und den Transport von Exportgütern. Gleichzeitig erinnert diese Infrastruktur an die brutale Geschichte der Teilung Bengalens.

Proticks Fotografien zeigen dystopische Kohlereviere umgeben von Schutt und Staubwolken, stillgelegte Eisenbahnstrecken, die ins Nichts führen, sowie Ruinen und Relikte des Spätkapitalismus, die an einst florierende Industrien erinnern. Seine sorgfältig durchdachten, minimalistischen Kompositionen öffnen den Blick für menschenleere Räume und Landschaften. Dabei arbeitet er vor allem mit natürlichen Lichtquellen, mit denen er sanfte und blasse Farbtöne erzeugt und so eine poetische, vermeintlich zeitlose Atmosphäre schafft. Andere Bildgegenstände, wie die imposante Hardinge Bride, setzt er abstrahiert in Schwarz-Weiß-Aufnahmen grafisch in Szene.

Immerwährende Matrix in der Tiefe der Erde

Protick gelingt es scheinbar mühelos, Widersprüche in seinen Bildern zu vereinen: Etwa der Verlust von Ressourcen und Lebensgrundlagen mit dem fortwährenden kapitalistischen Streben nach Wachstum. অঙ্গার (Awngar) bezeichnet im Bengalischen nicht bloß Kohle als Material, sondern referiert auf die Kohle als immerwährende Matrix in der Tiefe der Erde – als etwas, das von innen heraus erglühen und ewig unterhalb der Oberfläche brennen kann.

Hiermit steht der Begriff sinnbildlich für die Kolonialgeschichte des British Empire und der kapitalistischen Strukturen, die heute durch privatisierte Bauunternehmen und Großkonzerne aufrechterhalten werden. In einer präzisen und atmosphärischen Bildsprache legt Protick die globale, geopolitische und historische Dimension des Imperialismus und dessen Einfluss auf die Klimakrise dar.

Mit অঙ্গার . Awngar zeigt C/O Berlin die erste monografische Ausstellung von Sarker Protick in Deutschland. Die Doppelausstellung wird von Katharina Täschner, Junior-Kuratorin bei C/O Berlin, kuratiert. Es erscheint eine begleitende Publikation bei Hartmann Books.

Über den After Nature . Ulrike Crespo Photography Prize

Der After Nature . Ulrike Crespo Photography Prize ist ein gemeinsames Projekt der C/O Berlin Foundation und der Crespo Foundation. Jährlich ermöglicht der Preis die Umsetzung zweier rechercheintensiver Projekte und würdigt Künstler:innen oder Gruppen, die durch ihre Arbeit neue Konzepte von Natur in Fotografie und visuellen Medien erkunden. Der Preis beinhaltet ein Preisgeld von je 40.000 Euro, eine Ausstellung bei C/O Berlin und eine begleitende Publikation. Anschließend ziehen die Ausstellungen in den Open Space der Crespo Foundation in Frankfurt am Main.

Ein gemeinsames Projekt mit
Crespo Foundation Im Rahmen der
Berlin Art Week 2024­ 

BERTA FISCHER 

­Artistic Intervention 

14. Sep 2024 – Herbst 2025

­Mit Berta Fischer präsentiert das C/O die neunte Artistic Intervention im Café C/O Berlin x Barkin’Kitchen zu präsentieren. Die Installation wird anlässlich der Eröffnung des neuen Ausstellungsprogramms erstmals ab dem 13. Sep 2024 um 20:00 bis Herbst 2025 im Amerika Haus zu sehen sein.

Berta Fischer, bekannt für ihre schillernden skulpturalen Arbeiten, verwendet Materialien wie Acrylglas, PVC und Kunststoffe, um leuchtende, organische Formen zu erschaffen. Ihre Werke zeichnen sich durch eine spielerische Leichtigkeit und Transparenz aus, die sie fast immateriell erscheinen lassen. Oft wirken die Skulpturen wie fragile, fließende Objekte, die in einem dynamischen Dialog mit dem umgebenden Raum stehen. Die transluzenten Materialien, aus denen Fischer ihre Werke formt, brechen das Licht auf faszinierende Weise, sodass sich Farben und Formen je nach Betrachtungswinkel verändern. Diese Interaktion von Licht, Raum und Materialität ist zentral in Fischers künstlerischem Schaffen.

Ein poetischer Kommentar zur Architektur des Amerika Hauses

In der Artistic Intervention bei C/O Berlin im Amerika Haus verweben sich organisch anmutende Strukturen mit der Architektur des Gebäudes, dessen Glas- und Metallfassade charakteristisch für  die Nachkriegsmoderne ist. Diese Fassade, die für Rationalität und Stabilität steht, wird durch Fischers filigrane, teils biomorph anmutende Formen auf poetische Weise ergänzt und kontrastiert. Die Arbeiten erinnern an die historische Bedeutung von Acrylglas, das nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals für zivile Zwecke verwendet wurde und bald zum Symbol des technischen Fortschritts und der Modernität avancierte.

Doch anders als das standardisierte Material, das man aus dieser Zeit kennt, sind Fischers Skulpturen von Hand geformt, spielerisch und frei von der Strenge industrieller Produktion – eine Skulptur gewordene Erkundung des Unbestimmten und ein poetischer Kommentar zur Architektur des Amerika Hauses. Im Jahr des 25-jährigen Jubiläums von C/O Berlin wird Fischers Installation zu einer symbolischen Geste, die die Geschichte des Gebäudes und sein modernistisches Erbe würdigt.

Ihre Arbeiten laden die Besucher:innen dazu ein, die Grenzen zwischen Materialität und Immaterialität, Stabilität und Instabilität zu hinterfragen. Die präzisen Formen ihrer Skulpturen, die durch computergesteuerten Laserschnitt und sorgfältige Handarbeit entstehen, durchkreuzen etablierte Klassifikationen und eröffnen neue Perspektiven auf die Beziehung von Kunst und Raum.

Zur Website des C/O Berlin

Credits: Header Image: Sibylle Bergemann, Fallow land by the Berlin Wall at Potsdamer Platz, Berlin, 1990 © Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ / Para la Coca, 2024 © Laura Huertas Millán / Awngar, 2024 © Sarker Protick / © MUBI Deutschland / Berta Fischer, Installation view, Galerie Barbara Weiss, 2020 © Berta Fischer, Courtesy of the artist and Trautwein Herleth, Berlin. Photo: Jens Ziehe

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