Mit dem Besuch der Dernière von Così Fan Tutte in dieser Spielzeit, komponiert von Wolfgang Amadeus Mozart begann das Wochenende in der komischen Oper, welche anlässlich der Restauration des Haupthauses aktuell im Schillertheater residiert.
Ungewöhnlich und zeitgemäß bis in die letzte Szene wählte Kirill Serebrennikov ein moderneres Bühnenbild im Stile des Betonbrutalismus zu der herzzerreißenden Musik Mozarts und der Dramaturgie Lorenzo da Pontes. Bis ins Detail entwickelte sich die Komödie zu einem Versteckspiel von feministischen und komischen Referenzen vor zeitgemäßen Betonbrutalismus.
“Ein Mann ist nichts wert”
Die Darstellung brillierte im einzelnen durch die Ausarbeitung der Figuren, sowie der Handlungsstränge der weiblichen Hauptrollen. Unterstützt wurde die aktualisierte Version der Oper von 1790 durch historisches Material der feministischen Bewegung mit all ihren Facetten des vergangenen Jahrhunderts und ihrer Entfaltung im aktuellen Zeitgeschehen.
Zu leiden hatten unter dem pointierten Beispiel weiblicher Emanzipation besonders die beiden Tenöre, die sich wie Geister durch die Szenen bewegten und den beiden Damen ihre Liebe bekundeten. Die beiden Schwestern Fiordiligi und Dorabella, vom Spiel ihrer Freunde unterwandert, sangen sich dabei in das Verlangen ihrer Herzen und verzehrten sich dabei nach den Geliebten, während die nächsten Kandidaten bereits auf ein Date warteten. Innerhalb kürzester Zeit sehen sich die vermeintlichen Witwen mit dem Sexappeal der Fremden konfrontiert und können nur schwerlich der Aussicht auf ein Schäferstündchen widerstehen.
Das (politische) Versteckspiel
Durchaus kritisch zeigten die Solistinnen sich beim Konsum für das nächste Date oder bei der Therapeutin, während sie nach einem Ausweg aus der Dunkelheit des Krieges, sowie den Verluste beider Männer suchten.
Auch wenn die Herren dabei gelegentlich durch den Raum tanzten und ihre Liebe, sowie ihren Kummer bekundeten, scheint das Unheil seinen Lauf zu nehmen und die beiden Damen weiter in die Arme unbekannter, gut aussehender Männer zu treiben. Ein abgekartetes Spiel oder die nur allzu alltägliche Aufgabe die alten Glaubenssätze in Frage zu stellen?
Darum prüfe wer sich ewig bindet
Während im Verlauf der minutiös ausgearbeiteten Arien und Intermezzi immer wieder deutlich wurde, dass die Menschheit trotz aller Modernität und Fortschritts auf dieselben Konflikte stößt, zeigt nicht zuletzt Così Fan Tutte’s zweiter Akt, wie stark diese tradierten und patriarchalen Rollenbilder unsere Gesellschaft und ihr Handeln weiterhin beeinflussen.
Der sinnbildliche Totentanz der Soldaten während der Doppelhochzeit verweist nicht nur die Situation unzähliger Kriegerfrauen oder Witwen, die auch in diesem Jahr auf eine Nachricht warten oder die Hoffnung auf ein zweites Leben hegen, sondern auch auf die unzähligen Opfer aktueller Kriege. Così Fan Tutte – So machen es alle.
Das Ensemble
Musikalische Leitung
Erina Yashima/Katharina Müllner/Gabor Kali
Inszenierung / Bühnenbild und Kostüme
Kirill Serebrennikov
Co-Kostümbildnerin
Tatyana Dolmatovskaya
Dramaturgie
Maximilian Hagemeyer/Beate Breidenbach
Licht
Olaf Freese
Fiordiligi
Nadja Mchantaf/Penny Sofroniadou
Dorabella
Deniz Uzun/Susan Zarrabi
Guglielmo
Hubert Zapiór/James Newby
Ferrando
Caspar Singh/Tansel Akzeybek
Despina
Alma Sadé
Don Alfonso
Günter Papendell/Seth Carico
Sempronio
Amer El-Erwadi
Tizio
Goran Jurenec
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