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    Schließung des SchwuZ ist ein schwerer Verlust für Berlins

    Schließung des SchwuZ bedroht Berlins queere Kultur. Die Clubcommission fordert echte politische Maßnahmen, um Vielfalt, Räume und Clubkultur zu schützen.

    Die Clubcommission Berlin reagiert mit großer Sorge. Die Schließung des SchwuZ trifft einen der ältesten und bedeutendsten queeren Clubs der Stadt. Der Club war Motor für queere Kultur, soziale Projekte und Sichtbarkeit. Die Politik sollte handeln und Rahmenbedingungen schaffen, die solche Orte sichern, Vielfalt stärken und die Zukunft der Berliner Clubkultur aktiv gestalten

    Goodbye Berlin? Schließungen bedrohen die queere und kulturelle Vielfalt

    „Eine Regenbogenhauptstadt definiert sich nicht nur durch Bekenntnisse auf dem Papier, sondern durch konkrete Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung queerer Infrastruktur.“

    Marcel Weber

    Mit großer Betroffenheit reagiert die Clubcommission Berlin auf die Ankündigung. Das SchwuZ – einer der ältesten und bedeutendsten queeren Clubs Deutschlands – schließt nach fast 50 Jahren. Der traditionsreiche Club – und Mitglied der Clubcommission – prägte über Jahrzehnte das queere Nachtleben der Hauptstadt. Es war ein sicherer Ort für Generationen von Menschen aus der LGBTQIA*-Community.

    Das SchwuZ – eine Institution queerer Kultur

    Seit der Gründung im Jahr 1977 gab es das SchwuZ an vier Standorten in Berlin; 2013 zog der Club vom Mehringdamm in Kreuzberg nach Neukölln ins Rollbergviertel in deutlich größere Räume, die bis zu 1.000 Menschen fassten. Queere Projekte wurden im SchwuZ auf den Weg gebracht. Dazu gehören das Stadtmagazin Siegessäule, der Buchladen Prinz Eisenherz, die Schwulenberatung und der erste Berliner CSD 1979.

    „Das SchwuZ war für viele Menschen weit mehr als ein Club – es war ein Zuhause, ein Schutzraum, ein Stück Berliner Identität. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel Herzblut, Engagement und Community in diesem Ort steckten.

    Dass trotz aller Bemühungen, Restrukturierungen und Sanierungsversuche keine tragfähige Perspektive mehr gefunden werden konnte, ist ein bitteres Signal – und zeigt, wie schwierig die Lage für Clubs in dieser Stadt insgesamt geworden ist.“

    Marcel Weber, 1. Vorsitzender der Clubcommission

    Die wirtschaftliche Lage vieler Clubs ist angespannt

    Nachwirkungen der Corona-Pandemie, steigende Fixkosten, kaum zugängliche Kulturförderung und grundlegende, wirtschaftlich schwierige Rahmenbedingungen belasten die Branche. Gerade Orte wie das SchwuZ, die kulturelle, soziale und queere Arbeit leisten, sind besonders schützenswert – und brauchen deshalb gezielte politische Unterstützung.

    „Wenn Berlin seinem eigenen Anspruch gerecht werden will, braucht es jetzt entschlossenes politisches Handeln – nicht nur Symbolpolitik, sondern echte Unterstützung für die Räume, die queeres Leben seit Jahrzehnten ermöglichen und prägen. Der Verlust des SchwuZ ist ein Armutszeugnis für eine Stadt, die sich als Vorreiterin queerer Rechte und Kultur versteht.

    Marcel Weber

    Die Schließung des SchwuZ steht in einem eklatanten Widerspruch zum Selbstverständnis Berlins als „Regenbogenhauptstadt“, wie es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD festgeschrieben ist. Die Regierungskoalition bekennt sich zur Förderung queerer Vielfalt und zum Schutz von LGBTQIA*-Räumen. Trotzdem verschwindet mit dem SchwuZ einer der wichtigsten queeren Kultur- und Begegnungsorte der Stadt. 

    „Wir dürfen Clubschließungen nicht als Einzelfälle betrachten. Die wirtschaftliche Lage ist für viele Branchen schwierig, allerdings leisten auch Clubs einen kulturellen und gesellschaftlichen Beitrag, der nicht in Bilanzen messbar und für die Stadt unverzichtbar ist. Wenn Berlin weiterhin diese Räume verliert, verliert es ein Stück seiner Identität und Vielfalt. Es ist an der Zeit, politische Verantwortung zu übernehmen und faire Rahmenbedingungen zu schaffen, die Clubs stärken und langfristig sichern.“

    Emiko Gejic, Pressesprecherin der Clubcommission

    Die Clubcommission weist darauf hin, dass sie seit Jahren mittels Branchenumfragen die bevorstehenden Risiken aufgezeigt hat. Clubs tragen erheblich zur Wirtschaftskraft der Stadt bei, schaffen Arbeitsplätze, ziehen internationale Gäste an und prägen das Image der Stadt als weltoffene Metropole. Gerade weil die Bedingungen so schwierig sind, braucht es jetzt entschlossenes politisches Handeln. 

    Wie soll es weiter gehen?

    Die Clubcommission fordert, die Clubkultur politisch ernst zu nehmen, ihren Beitrag anzuerkennen und ihre Zukunft aktiv zu sichern.Die Clubcommission betont daher: Grundlegende Förderinstrumente, die für Clubs tatsächlich zugänglich sind – pragmatisch, realitätsnah und dauerhaft umzusetzen.

    „Die Schließung des SchwuZ muss ein Weckruf sein, Clubkultur als das zu begreifen, was sie ist: ein zentraler Teil der Berliner DNA – lebendig, vielfältig und unterstützenswert.“

    Emiko Gejic

    Es ist wichtig, dass Clubs rechtlich als Kulturorte und gesellschaftliche Räume anerkannt werden. Dies sollte ihren Schutz vor Verdrängung durch steigende Mieten, Gentrifizierung oder neue Bauprojekte beinhalten. Es muss faire Rahmenbedingungen für kulturelle und queere Räume geben, damit Vielfalt und Kreativität auch künftig Bestand haben.

    Mehr über die Clubcommission Berlin findet ihr hier und auf der Website.

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    Pyrame & Semodi – Hypnotic eP via THISBE Recordings

    “Hypnotic” — a mesmerizing tech house & minimal journey by Pyrame and Semodi, featuring Mailys. Out Nov 14, 2025 on THISBE Recordings.

    “Hypnotic” is the collaboration EP of Berlin-based Pyrame and Semodi, and sums up the creative work done by both friends in the studio over the past year.

    Pyrame and Semodi have produced two tracks. They blend tech house and minimal house. The tracks are layered with mesmerizing vocals to create a thought-provoking record.

    Joining the crew, the vocalist Mailys interpretes Pyrame´s narration about the power of the human brain, imagination and fantasm.

    The EP also includes reworks of “Mais Qui Es-Tu?” by Melodic Techno chief No Hopes and a Goa Mix by Orchid as well as a remix of “Hypnotic” by House maestro Bruno Otranto.

    “Hypnotic” will drop on Friday 14th of November 2025 on a limited vinyl edition, on Bandcamp and on all streaming platforms via THISBE Recordings.

    Cover
    • Release Date: November 14th, 2025
    • Listen & Order: on bandcamp
    • House, Tech House, Minimal House
    • Catalog Number THISBE024
    • Artwork by Christoffer Budtz

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  • Räume für Erinnerung und Solidarität: Herbstsalon im Gorki

    Emine Sevgi Özdamar erhält den Bertolt-Brecht-Preis! Ihre Werke prägen DAS ROTE HAUS & sind bis 30.11. bei freiem Eintritt im Gorki zu sehen.

    Liebes Publikum,

    diese Woche erreichten uns freudige Nachrichten: Emine Sevgi Özdamar hat den Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg erhalten, und damit eine Auszeichnung für ein Lebenswerk, das Literaturgeschichte geschrieben hat. Ihre Stücke und ihre Prosa begleiten uns seit Jahrzehnten und bilden auch die Grundlage für Ersan Mondtags Inszenierung DAS ROTE HAUS, die am 2/Oktober die aktuelle Herbstsalon-Edition eröffnete und erneut am 26/November auf der Bühne bei uns im Gorki zu sehen sein wird.

    In der Jury-Begründung des Bertolt-Brecht-Preisesheißt es: »In der Kollision zwischen Welten, Sprachen und politischen Systemen decken diese vielstimmigen, abgründigen Märchen, die Spuren von Marginalisierung, staatlicher Gewalt und menschlicher Hoffnung auf«.

    Emine Sevgi Özdamar’s frühe Selbstporträts

    Als Teil der Ausstellung im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalons ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE zeigt Emine Sevgi Özdamar erstmals frühe Selbstporträts – poetische, suchende, wagemutige Bilder, die von Identität und Transformation erzählen. Ihre und alle weiteren Werke sind noch bis zum 30/November bei freiem Eintritt im und ums Gorki herum zu sehen. 

    Dabei steht der 7. Berliner Herbstsalon an diesem Wochenende vor allem im Zeichen des kurdischen Widerstands. Am heutigen Abend, 14/November, zeigen wir 1000 EYES von Mazlum Nergiz, ehemals Dramaturg an diesem Haus, heute Autor von Prosa, Essays und Theaterstücken. Die szenische Lesung in der Inszenierung von Miraz Bezar, einem der Protagonisten des postmigrantischen Theaters am Ballhaus Naunynstraße, der mit MIN DÎT – Die Kinder von Diyarbakir einen der ersten kurdischsprachigen Filme in der Türkei drehte, bewegt sich zwischen Mythos und Widerstand, zwischen verklärter Erinnerung und radikaler Selbstermächtigung.

    Memory, Resistance, Resilience 

    Am morgigen Samstag, den 15/November und Jahrestag der Hinrichtung des kurdischen Anführers Seyit Rıza, widmet sich die Historikerin Dr. Zeynep Türkyılmaz in ihrer Lecture DERSIM 37 | Xo vira meke: Memory, Resistance, Resilience dem Völkermord in Dersim 1937/38 – einem verdrängten Kapitel der türkischen Geschichte.

    Im Anschluss steht am 15/November mit Aynur Doğan eine der bedeutendsten kurdischen Sängerinnen der Gegenwart auf der Gorki-Bühne. Mit ihrer unverwechselbaren, kraftvollen Stimme verbindet sie jahrhundertealte kurdische Volksmusik mit zeitgenössischen Klängen. Ihre Lieder erzählen von Schmerz und Hoffnung, Sehnsucht und Trost. 

    Wir freuen uns auf Sie!

    Ihr Gorki

    7. Berliner Herbstsalon 
    ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE

    Inventories / Interventions / Inventions

    2/Oktober–30/November 2025
    Kuratiert von Shermin Langhoff 

    • Öffnungszeiten der Ausstellung
    • 2/Oktober–30/November
      Mi & Do 16:00–20:00
      Fr & Sa 16:00–23:00
      So 12:00–20:00

      Ausstellungsorte
      Kiosk, Maxim Gorki Theater, Palais am Festungsgraben, Studio

      Eintritt frei!
    • Zum Programm
    • 15/November

    Zum Spielplan

    1000 EYES

    • Szenische Lesung
    • Von Mazlum Nergiz
    • Szenische Einrichtung Miraz Bezar
    • 14/November 20:30, Studio Я
    • Info & Karten

    Asma ist verschwunden. Sie hat allen erzählt, sie wäre nach Paris gefahren, um dort ihren Abschlussfilm über die Ermordung von drei kurdischen Widerstandskämpferinnen zu drehen. Doch Asma ist nicht zurückgekehrt und ihre Familie, Freund*innen, irgendwelche Menschen im Internet beginnen zu spekulieren. Hat Asma sich dem kurdischen Widerstand angeschlossen? Ist sie zu einem şehîd, einer Märtyrerin, geworden, zu denen kurdische Freiheitskämpfer*innen werden, wenn sie im Kampf sterben?

    DERSIM 37 | Xo vira meke: Memory, Resistance, Resilience

    • Lecture
    • Mit Zeynep Türkyılmaz
    • 15/November 18:30, Garderobenfoyer
    • Eintritt frei!

    Anlässlich des Gedenktags am 15. November wird die Historikerin Dr. Zeynep Türkyılmaz, die sich intensiv mit der Dersim-Frage während der osmanischen und republikanischen Ära beschäftigt hat, in einem Vortrag auf den Völkermord zwischen 1937 und 1938 eingehen.

    Aynur Doğan

    • Konzert
    • Mit Aynur Doğan, Maviş Güneşer
      Und Salman Gambarov, Chris Jennings, Patrick Goraguer, Coşkun Karademir, Caner Malkoç, Çağlasu Aslan
    • 15/November 20:30, Bühne
    • Info & Karten
    • Auf der Bühne

    Aynur Doğan ist eine der bedeutendsten kurdischen Sängerinnen unserer Zeit. Mit ihrer kraftvollen Stimme verbindet sie die jahrhundertealte Tradition der kurdischen Volksmusik mit zeitgenössischen westlichen Klängen und schafft so eine musikalische Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Das Konzert findet im Gedenken an Seyit Rıza statt, der 1937 als kurdisch-alevitischer Anführer in Dersim für seinen Widerstand gegen staatliche Repression hingerichtet wurde.

    MOTHERS – A SONG FOR WARTIME

    • Repertoire
    • Konzept & Regie Marta Górnicka
    • 30/November 19:30, Bühne
    • Info & Karten

    Sie sind Überlebende. Sie sind vor Krieg und Verfolgung Geflüchtete, Zeuginnen von Gewalt und Bombardierungen. Frauen aus der Ukraine und aus Belarus, die nun in Polen leben und gemeinsam auf der Bühne stehen und sprechen wollen. Sie nutzen die Macht ihrer Stimmen, um das zu benennen, für das es keine Worte geben kann. Dabei wollen sie nicht als Opfer, sondern als Protagonistinnen ihrer Geschichten gehört werden. 

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    erfolgreiches Modellprojekt – Alte Feuerwache Tempelhof

    Alte Feuerwache Tempelhof: Zwei Monate urbane Experimente, Kultur, Clubnächte & Performances – ein Raum für Gemeinschaft, Vielfalt und Teilhabe.

    Für zwei Monate wurde die ehemalige Feuerwache am Flughafen Tempelhof zur Bühne für kollektive Praxis, künstlerische Aneignung und urbane Imagination. Koordiniert vom Torhaus Berlin e.V. in Kooperation mit der Clubcommission Berlin e.V. und dem Urbane Praxis e.V., entstand ein Raum für Experimente zwischen kultureller Produktion, Diskurs und Gemeinschaft. Viele sind dieser Einladung gefolgt. 

    „In Zeiten zunehmender Flächenknappheit und konkurrierender Nutzungsansprüche ist es wichtiger denn je, gemeinschaftlich organisierte Kulturprojekte und Synergien zwischen Akteurinnen und Akteuren der Freien Szene zu fördern.

    Das Modellprojekt „Alte Feuerwache” im ehemaligen Flughafen Tempelhof steht exemplarisch für einen niedrigschwelligen Zugang zu landeseigenen Flächen und für klare Rahmenbedingungen, die eine verantwortungsvolle Nutzung ebenso wie kulturelle Teilhabe über verschiedene Zielgruppen hinweg ermöglichen. Solche Ansätze stärken nicht nur die Vielfalt, sondern leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Stadt.”

    Sarah Wedl-Wilson, Senatorin für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt des Landes Berlin

    Vom 15. August bis 18. Oktober wurde das Gebäude an 47 Tagen bespielt, verwandelt und infrage gestellt. Neben einer Dauerausstellung fanden insgesamt 34 Sonderveranstaltungen statt: rund 10.0000 Besucher*innen, zahlreiche Clubnächte, Performances, Konzerte, Workshops, Lesungen, Filmabende und Fachtagungen. Sechs Clubnächte wurden über einen Open Call der Clubcommission durch einen Jury Entscheid vergeben.

    Foto: Jascha Müller-Guthof (Tag der Clubkultur)

    Das Nutzungskonzept war bewusst spartenoffen angelegt und machte das Nebeneinander unterschiedlicher künstlerischer, diskursiver und sozialer Formate zur Qualität und zum Programm.

    Vielfalt der freien Gruppen der Berliner Szene

    „Mit der Alten Feuerwache haben wir einen Möglichkeitsraum geschaffen, der zeigt, was passiert, wenn Verwaltung, Stadtgesellschaft und freie Akteur:innen gemeinsam gestalten. Die große Resonanz bestätigt unseren Glauben an offene, zugängliche und selbstorganisierte Kulturorte – auch und gerade in öffentlichen Gebäuden.”

    Torhaus Berlin e.V.

    Die Alte Feuerwache Tempelhof steht exemplarisch dafür, was möglich ist. Kulturelle Infrastrukturen werden in enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung koproduziert, geöffnet und gemeinschaftlich gestaltet. Das geschieht mit einfachen Zugängen, klaren Rahmenbedingungen. Es gibt Vertrauen in die Vielfalt der freien Gruppen der Berliner Szene. Dabei ging es nicht nur um Inhalte, sondern auch um Strukturen: Akustische Anpassungen, temporäre Umbauten und neue Nutzungsmodelle wurden erprobt – als praktische Grundlage für zukünftige kulturelle Entwicklungen am Standort Tempelhof.

    „Wir haben diesen weiteren kulturellen Akzent am Flughafen Tempelhof sehr begrüßt und die Kooperation gerne unterstützt. Dieses Modellprojekt hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, den THF immer weiter zu beleben und ihn zugänglich für die ganze Stadtgesellschaft zu machen.

    Durch unsere eigenen Programme am THF TOWER haben wir gesehen, wie gut hier Kulturformate gelingen und angenommen werden. Dass die Alte Feuerwache im TOWER zwei Monate erfolgreich mit Angeboten bespielt wurde, bekräftigt uns in unserer Entwicklung sehr. Im Dezember etwa veranstalten wir hier am zweiten und dritten Adventswochenende einen großen Wintermarkt.”

    Fabian Schmitz-Grethlein, Geschäftsführung Tempelhof Projekt

    Aus Sicht der Clubcommission Berlin zeigt das Modellprojekt eindrücklich, welches Potenzial in der kulturellen Nutzung landeseigener Liegenschaften liegt. Räume wie die Alte Feuerwache Tempelhof bieten eine Möglichkeit. Sie ermöglichen es, urbane Freiräume als Orte des Austauschs, der Teilhabe und der kulturellen Innovation zu begreifen.

    Die Clubcommission betont ausdrücklich, dass bei der kulturellen Aktivierung landeseigener Liegenschaften mit der Zwischennutzung in der Alten Feuerwache sowie anderen Modellflächen wichtige Erfolge erzielt werden könnten.

    Konzepte für eine nachhaltige Kulturraumpolitik

    Laut Clubcommission dürfen solche Immobilien nicht ausschließlich wirtschaftlich, sondern gemeinschaftlich gedacht und entwickelt werden. Die Erfahrungen aus dem Projekt verdeutlichen, dass temporäre Nutzungen wertvolle Erkenntnisse für nachhaltige Kulturraumpolitik liefern. Vertrauensvolle Kooperationen zwischen Verwaltung, Zivilgesellschaft und Szene sind zentrale Voraussetzungen für eine lebendige, vielfältige Stadtkultur.

    „Die Alte Feuerwache Tempelhof hat gezeigt, welche Möglichkeiten entstehen, wenn Stadtentwicklung und Kulturpolitik gemeinsam Räume für gemeinschaftlich organisierte Kultur schaffen. Hier haben wir gemeinsam mit dem Senat gezeigt, dass faire und transparente Flächenvergabe sowie Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich sind.

    Die Vergabe von Räumen zur Zwischennutzung steht für eine Kulturraumpolitik, die Zugänge schafft statt ausschließt, kulturelle Vielfalt sichtbar macht und dazu beiträgt, die kulturelle Landschaft Berlins zu bereichern.”

    Kai Sachse, Geschäftsführung Clubcommission Berlin e.V.

    Das Projekt war Teil der Modellflächenreihe im Rahmen des Kulturmodernisierungsprogramms. Die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt initiierte es. Es wurde von dieser und der Lotto-Stiftung Berlin gefördert.

    Über die Clubcommission:

    Die Clubcommission ist das Netzwerk der Berliner Clubkultur. Sie wurde im Jahr 2001 gegründet und ist mit über 350 Mitglieder die weltweit größte Vereinigung von Clubbetreiber:innen und Veranstalter:innen. Sie unterstützt die Arbeit der Kulturunternehmer:innen durch die Optimierung der Rahmenbedingungen und die Verbesserung der Infrastruktur.

    Neben vielen verschiedenen Aktivitäten wie nachhaltiger Stadtentwicklung, Schallschutz und der Vermittlung zwischen Clubs, Bauherren und der Nachbarschaft, gibt es auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Nachtökonomie.

    Zudem wird die Entwicklung von Antidiskriminierungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen in Clubs verfolgt. Die Erforschung der verschiedenen Dimensionen der Clubkultur ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit.

    https://www.clubcommission.de/

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    New EP: Camera Lens With Vaseline via Iptamenos Discos

    A hypnotic, blurred-edge slow-burner from Captain Mustache & Third Culture with haunting vocals by Victoria Rawlins, out Nov 5 on Iptamenos Discos.

    Iptamenos Discos unveils “Camera Lens With Vaseline”, a new single from Captain Mustache & Third Culture with vocals by Victoria Rawlins, arriving this November. The Berlin imprint known for off-kilter electronics, dark disco inflections and industrial textures adds another leftfield cut to its catalog with this collaboration.

    Captain Mustache, Third Culture & Victoria Rawlins

    The track lives up to its name: blurred at the edges and slightly unreal. French producer Captain Mustache teams with Third Culture – the cross-continental pairing of Sian and Sacha Robotti – to craft a hypnotic slow-burner that pulls the listener inward rather than striking directly. Victoria Rawlins moves through the mix like a flickering transmission: close and delicate one moment, distant and ghostlike the next. Her presence feels like a half-remembered voice embedded in foggy synths and pulsing bass.


    “Camera Lens With Vaseline” straddles the space between cinematic score and club hypnosis. It’s designed for smoke-filled dancefloors. It’s also perfect for solitary headphone sessions. The tempo moves with intention. Small details surface over time.

    The track is lush and hypnotic. It is subtly disorienting. It reflects Iptamenos Discos’ instinct for electronic music that pushes at form while preserving emotional depth.

    Details:

    About Iptamenos Discos

    Iptamenos Discos is a Berlin-based imprint dedicated to the fringes of electronic music—where shadowy textures, off-kilter rhythms and cinematic atmospheres collide. Known for its blend of electroclash, dark disco, industrial inflections and leftfield experimentation, the label champions artists who push form while preserving emotional depth.

    Each release carries a distinct sense of mood and narrative, crafted for smoke-filled clubs, late-night wanderers and listeners drawn to the unusual, the hypnotic, and the beautifully disorienting.

    Captain Mustache

    Captain Mustache is a French producer known for blending retro-futurist electronics with emotional nuance. His sound moves between electro, dark disco, and melodic machine funk—always marked by a sleek, analogue warmth. With a catalog spanning club-driven cuts and cinematic synth pieces, he has carved out a distinct voice that balances playfulness, craft, and understated melancholy.

    Captain Mustache: @captainmustache_official Instagram


    Third Culture

    Third Culture is the collaborative project of Sian and Sacha Robotti, a cross-continental pairing rooted in techno, electro, and left-field club culture. Together they fuse sharp rhythmic instincts with atmospheric depth, crafting tracks that feel both expansive and intimate. Their work explores identity, movement, and the tension between digital precision and human emotion.

    Third Culture: @thirdcultureofc Instagram


    Victoria Rawlins

    Victoria Rawlins is a Los Angeles–based vocalist, DJ, and selector whose work draws on shadowy pop, post-punk moods, and spectral electronic textures. Her voice slips between clarity and haze, carrying a haunting presence that lingers in the mix. Known for her impeccable taste and cinematic aura, she brings an otherworldly quality to every collaboration.

    Victoria Rawlins: @rawvictoria Instagram

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    New Album by Olvo – Continuum, Out now on Low Kick Records

    Olvo’s Continuum merges electronic and acoustic worlds into a poetic ode to nature’s beauty and fragility. Out Oct 10, 2025 on Low Kick Records.

    Olvo returns with Continuum. It is an immersive journey. Electronic and acoustic textures intertwine to echo the beauty of nature. These sounds also reflect nature’s fragility. Out now on Low Kick Records.

    It all started with a solo bike ride. The perfect opportunity for Belgian producer and composer Olvo to sketch out the first lines of Continuum, his second solo album. Conceived as a fictional soundtrack to an environmental documentary, this work is gentle and poetic. Continuum delicately evokes the theme of telling an ecological fable.

    The album explores various musical genres, from ambient to chamber music and alternative hip-hop, in the artist’s trademark style. At times reminiscent of film music, punctuated by ecological mantras and supported by nature recordings, the album subtly blends acoustic and electronic instruments.

    An ambitious cast of contributions

    On this second project, there are no features as such. However, there are numerous instrumental collaborations. An ambitious cast contributes, including the violin of Damien Chierici (Dan San, Kowari) and the cello of Eugénie Defraigne (Loïc Nottet, Léo Nocta). The guitar of Canadian songwriter Simon Jutras (McLean) and the backing vocals of conductor Emeline Burnotte (Sing for the moment) are also featured. There are many others as well.

    A new opus, simple in appearance, but the fruit of long-term research, combining field and studio work, which aims to put biodiversity in music and nature in the spotlight. Like a treatise on ornithology or a botanical manual, the track list refers to various animal and plant species. These species can be identified on the cover artwork by Namur-based artist Demos from the Drash collective. 

    Details:

    Artist: Olvo
    Release: Continuum
    Label: Low Kick Records
    Release Date: October 10, 2025, save & order here

    About Olvo

    Olvo is a Belgian producer and composer. He is known for crafting immersive soundscapes. In his works, electronic and acoustic elements coexist in delicate harmony. His work bridges ambient, chamber music, and alternative hip-hop, often infused with ecological and cinematic influences.

    With a background in visual storytelling, Olvo’s music feels like a soundtrack to an imagined world — poetic, organic, and deeply connected to nature. His second solo album, Continuum, continues this artistic vision. It blends field recordings, instrumental collaborations, and subtle electronic textures. This mix reflects the beauty and fragility of the environment.

    Through his music, Olvo invites listeners to slow down, observe, and reconnect — transforming sound into a living ecosystem of emotion and meaning.

    Instagram: @olvomusic

    Facebook: Olvo

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    Can Dündar’s Theater Kolumne #53: »DAS PROBLEM IM STADTBILD«

    Ein Brief von 1966 erinnert an die ersten »Gastarbeiterinnen« – Frauen, die Deutschland mit aufbauten. Heute fragen sie: Sind wir immer noch Gäste?

    In einem der Ausstellungsräume des 7. Berliner Herbstsalons ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE im Gorki liegt in einer gläsernen Vitrine ein handgeschriebener Brief vom 22. Juni 1966. Er beginnt mit den Worten: »Mein werter Ehemann« – eine Anrede, die man heute nicht mehr lesen würde.

    »Seit meiner Abreise aus der Türkei sind heute genau sechs Tage vergangen. Drei davon haben wir im Zug verbracht. Am Montag kamen wir in München an und konnten noch am selben Tag um 14.30 Uhr die Werksunterkunft erreichen.«

    Nach einer drei Tage dauernden, beschwerlichen Zugfahrt auf harten Holzsitzen müsste man annehmen, dass der Mensch sich zunächst ausruhen darf. Doch weit gefehlt.

    »Am nächsten Tag begannen wir mit der Arbeit. Unser Arbeitsplatz liegt 54 Kilometer von München entfernt. Wir müssen drei verschiedene Verkehrsmittel nehmen, um dorthin zu gelangen.«

    Man stelle sich vor, was es für eine junge Frau Anfang zwanzig bedeutet haben muss, am Tag nach einer solchen Reise in einem fremden Land, fern von Familie und Heimat, mit drei Umstiegen zur Arbeit zu fahren. Doch die Schreiberin klagt nicht:

    »Die Arbeit ist viel, aber nicht schwer«, schreibt sie. In der Nähfabrik, in der sie arbeitet, sind rund 600 Frauen beschäftigt. Die Fabrik hat einen Vorschuss von 80 Mark gezahlt – wie viel sie verdienen wird, weiß sie noch nicht. In den letzten Zeilen sendet sie »unendliche Grüße und Liebe« – nach drei Tagen als »Gastarbeiterin in Deutschland« – an ihren Ehemann in der Türkei.

    Ein Frauenwohnheim des Telefunken-Werks in der Stresemannstraße 30 

    In der GORKI-Ausstellung erfahren wir noch viel mehr über die Lebenswege von rund 200 jungen Frauen, die zwischen 1964 und 1969 vor allem aus der Türkei nach Berlin kamen.

    Symbol des Aufbaus: Das Frauenwohnheim des Telefunken-Werks in der Stresemannstraße 30 war für eine Zeit lang ihr Zuhause und die Erinnerungen aus diesem Haus leben nicht allein im Ausstellungsraum, sondern auch auf der Bühne des Gorki weiter.

    DAS ROTE HAUS von Ersan Mondtag und Till Briegleb verbindet die Zeugnisse dieser jungen Frauen aus dem »Wonaym« mit Motiven aus Emine Sevgi Özdamars Romanen Die Brücke vom Goldenen Horn und Seltsame Sterne starren zur Erde. Das Theaterstück dokumentiert die harten Arbeitsbedingungen jener ersten Generation migrantischer Frauen, die unter körperlich zermürbenden Umständen in Fabriken arbeiteten – bis ihnen buchstäblich »die Haare auf die Maschinen fielen«.

    Ihre Geschichten werfen ein Licht auf das Gestern und Heute Deutschlands: Sechzig Jahre Leben, verdichtet in zwei Theaterstunden – eine schmerzhafte Reise, die in einem Bahnhof oder einem Wohnheim beginnt und endet.

    Plötzlich Sirenen, Explosionen, Schreie. Die düstere Vision einer neuen »Ausländer-raus«-Kampagne und die Rückkehr der nun ergrauten, erschöpften Frauen – der ehemaligen Arbeiterinnen – auf denselben Gleisen, auf denen sie einst kamen. Ein Symbol für eine Gesellschaft, die vergisst, wer sie mit aufgebaut hat.

    »Gastarbeiter*innen«

    Ist das eine Dystopie – oder schon der Vorgeschmack auf einen kommenden Albtraum?

    In Deutschland wird diese Frage derzeit heftig diskutiert und die »Gastarbeiter*innen« wie ihre Enkel*innen fragen sich, ob sie nach über sechzig Jahren immer noch Gäste sind. Die unerwünschten Fremden, ein Problem im Stadtbild …

    Auslöser der jüngsten Debatte waren die Worte von Bundeskanzler Friedrich Merz.

    Auf einer Pressekonferenz in Potsdam – ausgerechnet dort, wo ähnliche Themen auffällig oft zur Sprache kommen – sagte er, dass die Regierung frühere Fehler in der Migrationspolitik korrigiert und Fortschritte erzielt habe, doch selbstverständlich sehe man das »Problem« noch immer im Stadtbild. Deshalb sei der Innenminister dabei in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.

    Auf die Nachfrage, was er mit dieser Formulierung meine, und ob er sie zurücknehmen wolle, antwortete Merz nicht etwa beschwichtigend – im Gegenteil:

    »Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage: Ich weiß nicht, ob Sie Töchter haben. Falls ja, fragen Sie sie doch einmal, was ich damit gemeint haben könnte. Ich bin sicher, sie werden Ihnen eine klare Antwort geben.«

    »Wir sind das Stadtbild.«

    Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, wurde vielleicht an Joseph Goebbels erinnert, der einst behauptet hatte, die Juden »verdürben« das Straßenbild. Seit der Niederlage der damaligen Nazi-Ideologie rühmte sich Deutschland stets für seine Vielfalt und Buntheit. Die Worte des Kanzlers riefen Empörung hervor, und vor dem Brandenburger Tor versammelten sich tausende Menschen unter dem Motto »Wir sind das Stadtbild.«

    Vor der Berliner CDU-Zentrale riefen Frauen »Wir sind die Töchter!« und Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen, forderte Merz auf, sich zu entschuldigen, denn er habe »Millionen von Menschen mit Migrationsgeschichte beleidigt«. Der Co-Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, machte auf das wahre Stadtbildproblem aufmerksam:

    »Wir haben im Stadtbild zwar immer mehr Armut, immer mehr Obdachlose und immer mehr geschlossene Läden. Das hat aber mehr (…) mit den sozioökonomischen Veränderungen zu tun, für die die Regierung zuständig ist.«

    22.560 türkische Staatsbürger*innen warten auf ihre Abschiebung

    In den letzten Monaten wurde die Abschiebung jener, die angeblich ein Problem im Stadtbild darstellen, beschleunigt. Die größte türkeistämmige Gemeinschaft außerhalb der Türkei ist die am meisten gefährdete. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge warten Stand Ende September 22.560 türkische Staatsbürger*innen auf ihre Abschiebung; allein in diesem Jahr wurden bereits 1.614 abgeschoben.

    Bundeskanzler Merz brachte bei seinem letzten Türkei-Besuch höchstpersönlich einen Koffer mit und wurde dafür von der türkischen Presse gelobt. Berichten zufolge war der symbolträchtige Koffer voller Rückführungsdossiers.

    Welche Art von »Türken« Kanzler Merz zurückschicken will – und ob es sich dabei auch um »politische Gegner« wie mich handelt, deren Auslieferung Erdoğan fordert – wird sich bald zeigen. Doch das Entscheidende ist, dass die Diskussion über das »Problem im Stadtbild« und jenen Abschiebelisten bei vielen, auch bei denen, die bleiben werden, das gleiche schmerzhafte Gefühl von unerwünschter Zugehörigkeit auslöst.

    Die Rückkehr auf den Schienen: Das Vermächtnis der Aufbauhelferinnen

    Am Ende der Inszenierung von DAS ROTE HAUS sieht man die Frauen, die einst ihre Jugend, ihre Kraft, ihr Leben in den Aufbau der deutschen Industrie und Wirtschaft gesteckt haben, auf denselben Schienen zurückkehren, auf denen sie einst ankamen. Diese Szene bewegte viele im Publikum zu Tränen.

    Um zu erkennen, dass sich unsere Städte verändern, müssen wir nicht erst unsere Töchter fragen. Um zu verstehen, warum sie sich verändern und wie wir den Wandel gestalten könnten, sollten wir auch jene fragen, die in der Stresemannstraße 30 einen Teil ihres Lebens verbracht haben.

    Fragt die grauhaarigen Frauen, die einst kamen, um dieses Land mit aufzubauen – und die heute das Gefühl haben, nurmehr als »Problem im Stadtbild« gesehen zu werden.

    Text von Can Dündar, Übersetzung aus dem Türkischen von Çiğdem Özdemir
    Maxim Gorki Theater · Am Festungsgraben 2 · Berlin 10117 · Germany

    https://www.gorki.de/de

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    ANDROGYNOUS: Subversive Ekstase und queer-politischer Appell

    ANDROGYNOUS im Gorki: Lola Arias schlägt die Brücke von Anita Berbers subversiver Ekstase im Berlin der 20er Jahre zum heutigen queer-politischen Widerstand.

    Das Maxim Gorki Theater präsentiert Lola Arias’ “Androgynous. Portrait of a Naked Dancer”: Ein aufrüttelndes Bühnenstück, das die Brücke zwischen der exzessiven Berliner Subkultur der 1920er Jahre und der heutigen queeren Clubculture schlägt. Im Zentrum steht die Ikone Anita Berber – Tänzerin, Filmstar und Enfant terrible der Weimarer Republik.

    Das Stück ist mehr als eine historische Aufarbeitung. Es ist eine leidenschaftliche Infragestellung von Zensur, Widerstand und der Rolle der Kunst in unsicheren Zeiten, gerade angesichts der zunehmenden Unterdrückung von Selbstbestimmung marginalisierter Gruppen.

    die Grenzen zwischen Realität und Fiktion

    Die argentinische Regisseurin Lola Arias ist bekannt für ihren dokumentarischen Ansatz, welcher die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschiebt, indem sie intime, persönliche Biografien auf die Bühne holt. Für dieses Projekt kollaborierte sie eng mit der Poledancer:in River Roux.

    Roux, die durch Abstraktion des Sujets und autobiografische Tiefe die Komplexität verschiedener Gender und Identitäten navigiert, dient so als eindringlicher Spiegel Berbers in den 2020er Jahren. Auf der Bühne treffen Roux, Bishop Black und Dieter Rita Scholl aufeinander, um in einem Setting, das einem zeitgenössischen Kabarett gleicht, die legendären Figuren der „Goldenen Zwanziger“ neu zu verkörpern.

    Die Rekonstruktion der Radikalität: Tanz als Befreiungsschlag

    Die zentrale und schmerzhafte Herausforderung des Stücks ist die Rekonstruktion einer Kunstform, von der oft nur Zensurberichte, verurteilende Polizeiakten und verschwommene Fotos existieren. Anita Berbers Performances waren ihrer Zeit weit voraus. Performances geprägt von expliziter Erotik, Horror-Elementen und einer provokanten Geschlechterambiguität, welche die bürgerlichen Normen und die Vorstellungskraft des Möglichen sprengten.

    Diese existenziellen Transgressionen wurden nachträglich auf oberflächliche Skandale reduziert. Mit dem “Tanz der Salome” zerbrach Berbers Weltbild endgültig an der blutigen Wahrheit des keimenden Naziregimes. Doch “Androgynous” scheut sich nicht, die dunklen Schatten zu beleuchten. Thematisiert werden auch Drogenkonsum, sexualisierte Gewalt, Stereotypisierung, Marginalisierung und gesellschaftliche Stigmata, welche der LGBTQIA+-Community bis heute ein selbstbestimmtes Leben erschweren. 

    Ihre Tänze hießen “Morphium”, “Cocaine” und “Ekstase”

    Bishop Black, River Roux in
    Androgynous. Portrait of a naked dancer.

    Einige der gezeigten Performances visualisieren, wie leidvoll und schmerzhaft dieser Befreiungsschlag auf der Bühne sein kann. Das Ensemble belebt diese historischen Tänze und Haltungen mithilfe von Archivmaterial und detaillierten Polizeiberichten neu. Die zentralen Fragen bleiben: Wie radikal und provokativ waren diese Tänze für eine Gesellschaft, die aus den Trümmern des Ersten Weltkriegs aufstieg? Sind sie heute, hundert Jahre später, immer noch subversiv?

    Die Antwort auf letzteres lautet: ja, denn heute stehen wir vor den selben Herausforderungen wie vor rund hundert Jahren. Freiheitsrechte werden beschnitten, Freiräume verschwinden und der Rechtsruck ist in vollem Gange. Die Skandale, sowie Berbers Rollen sprechen Bände über das Weltbild der Nachkriegsgeneration und zeugen von dem Schrecken, der noch bevorstand.

    Gestern und Heute: Ein Spiegelkabinett des Überlebens

    Lola Arias nutzt die historische Folie der 1920er Jahre – einer Epoche kurz vor dem Aufstieg des Naziregimes und dem drohenden Ende der Kunstfreiheit – um eine direkte, alarmierende Parallele zur Gegenwart zu ziehen. Die Performer:innen mischen die rekonstruierten historischen Momente mit ihren eigenen, heutigen Lebenserfahrungen als Künstler:innen des Nachtlebens. Diese Zeitreise ist der ungeschönte Kern der Inszenierung. Sie enthüllt, dass die Kämpfe um sexuelle Freiheit, Akzeptanz und die Schaffung von Schutzräumen nie abgeschlossen waren.

    Die Gegenkultur der 20er Jahre bot – ähnlich wie die heutige Clubszene – unverzichtbare Räume des Dissenses, der Fürsorge und des kollektiven Überlebens in Krisenzeiten. Indem die Darsteller:innen ihre historischen Alter Egos verkörpern, wird “Androgynous” zu einer vielschichtigen Untersuchung der Komplexität des Widerstands. Es feiert, was die Ikone Berber vorgelebt hat. Das Leben und Tanzen als unbedingter Akt der Selbstbehauptung gegen eine drohende Tyrannei.

    Das Erbe der „Bad Girls“: Ein Appell zur Verteidigung

    Dieter Rita Scholl, River Roux, Bishop Black in
    Androgynous. Portrait of a naked dancer.

    Die Produktion ist eine leidenschaftliche Feier des queeren Stolzes und der performativen Kraft der Sexualität. Es ist eine unmissverständliche Hommage an die “Bad Girls” der Geschichte – jene, die das Risiko der Sichtbarkeit eingingen und dafür den höchsten Preis zahlten. Anita Berber starb jung, im Alter von nur 29 Jahren, in einem Berliner Krankenhaus. Ihr Vermächtnis als Ikone des Expressionismus und der frühen queeren Subkultur lebt hundert Jahre später in vollem Umfang weiter. 

    Alle alle starben an meinen roten Lippen
    an meinen Händen
    an meiner Geschlechtslosigkeit
    Die doch alle Geschlechter in sich hat
    Ich bin blass wie Mondsilber

    ANITA BERBER, (1899-1928) – Orchideen

    Das Stück am Gorki-Theater stellt diese Legende nicht auf ein Podest, sondern macht sie durch die Augen und Körper von River Roux, Bishop Black und Dieter Rita Scholl wieder fühlbar und relevanter denn je. Androgynous ist ein dringender Appell, die Räume der Freiheit und Selbstdarstellung zu verteidigen, die von Berber und ihren Zeitgenossen erkämpft wurden. Räume und Rechte, die angesichts der aktuellen Bedrohung von rechts, erneut erkämpft werden müssen.

    Weitere Termine

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    Berliner Graffiticrews – die Szene von 1990 bis 2006

    Einblicke in Berlins Graffiticrews 1990–2006: Lesung, Gespräch & Beats am 21.11.25 in der Martha Cooper Library im Urban Nation Berlin. Eintritt frei!

    MCL presents #6: Berliner Graffiticrews – Einblicke in die Szene von 1990 bis 2006

    • Wann: 21. November 2025, 18.30–20.00 Uhr mit anschließendem Buchverkauf und Signierung
    • Wo: Martha Cooper Library im URBAN NATION Museum, Bülowstr. 7, 10783 Berlin
    • Eintritt frei

    Nach dem Fall der Berliner Mauer führten neue urbane Flächen und Infrastrukturen, verlassene Gebäude und eine frei auflebende Jugendkultur zu einer explosionsartigen Ausbreitung von Graffiti im öffentlichen Raum. Die in dieser Zeit entstehenden Berliner Graffiticrews boten dabei nicht nur kreative Freiheit und Ausdruck, sondern vermittelten auch ein Gefühl von Zugehörigkeit und sozialem Rückhalt.

    Am 21. November 2025, von 18.30 bis 20.00 Uhr, lädt die Martha Cooper Library zu zwei Buchpräsentationen ein, die das kreative Erbe dieser bewegten Zeit reflektieren.

    „BIF CREW | BERLINER IN FREIHEIT“

    Johann-Christof Laubisch, Schauspieler und Rapper, liest aus seinem Roman „BIF CREW | BERLINER IN FREIHEIT“. Der Roman gibt einen persönlichen Einblick in die Welt der Berliner Graffiticrew „BIF“ und ihre Bedeutung für die Jugendkultur der 1990er Jahre.

    Die Ausstellungsmacher Sebastian Grap und Sebastian Bartels stellen ihren Katalog „Blackbook HSH. Jugend- und Subkultur aus der Platte“ vor. Ihr Projekt dokumentiert die Graffitikunst in den Randbezirken Ost-Berlins und beleuchtet die enge Verbindung zwischen urbaner Kunst und gesellschaftlicher Identität.

    Im Gespräch mit Stephanie Wächter aka Lady Sound, in der Hip-Hop- und Graffiti-Szene aktiv, wird die Rolle der Crews als kreative und soziale Netzwerke diskutiert.

    Die Veranstaltung wird musikalisch von DJ Dister begleitet, der mit seinen Beats die Atmosphäre der Zeit lebendig werden lässt.

    Mitwirkende

    Sebastian Bartelt ist Medientechnologe und Mitorganisator der Ausstellung „Blackbook HSH“. Er leitet eine Siebdruckwerkstatt und arbeitet ehrenamtlich mit Jugendlichen in der Graffitiszene.

    Sebastian Grap ist Graffiti-Aktivist und Kulturmanager. Als Mitorganisator des „Blackbook HSH“-Projekts setzt er sich mit der Jugend- und Subkultur der Berliner Randbezirke auseinander.

    Johann-Christof Laubisch ist Schauspieler, Rapper und Autor. Aufgewachsen in Ost-Berlin, war er aktiv in der Graffiti- und Hip-Hop-Szene der 1990er Jahre und engagiert sich heute in Workshops für Jugendliche.

    Stephanie Wächter (Lady Sound) entdeckte die Hip-Hop-Kultur in den 1990er Jahren und bietet heute Workshops zu Graffiti und Streetart an, mit besonderem Fokus auf Mädchen und junge Frauen.

    Infos über die Martha Cooper Library

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