Die Melodie Major Tom’s: „Völlig los gelöst, von der Erde schwebt das Raumschiff,“ summt in meinem Kopf, während ich zum ersten Mal in neun Jahren Berlin das ICC in seiner vollen Schönheit von innen sah. Die Berliner Festspiele tagten zehn Tage in dem ehemaligen Kongresszentrum, welches inzwischen selbst betagt unter Denkmalschutz steht. Ganz im Zeichen etablierter und progressiver Kunst beherbergte das ICC eine großzügige Austellung, welche passend zu den Wahlergebnissen, sozusagen Altes und Neues gekonnt nebeneinander in Szene setzte. Zu bestaunen gab es Life Performances, Short Movies, Fire Chats und jede Menge skulpturales sowie multimediales.
Highlights: Berlin wird multimedial wirksam
Die Julia Stoscheck Foundation hat hierbei einen großen Teil des Bewegtbildmaterials zur Verfügung gestellt und die Berliner Kunstszene offiziell um eine Disziplin erweitert. Zwar wird in Berlin viel gedreht, doch auf Seiten der Institutionen herrscht weitestgehend noch gähnende Leere in Sachen multimedialer oder gar kritsicher Kunst, made in Germany. Inszeniert wurde das Filmspektakel mit Kurzfilmen, die in den etwas aus der Zeit gefallenen Auditorien des ICC gezeigt wurden. Passendenderweise stammte das Material von R. W. Fassbinder und anderen Filmgrößen, welche ebenfalls aus der Stoschek geliehenen Kollektion stammten.
Retro-spekulativ: Seltsame Maschinenräume und die Frage nach der Digitalisierung?
Gleich zu Beginn der Ausstellung werden die Besucher*innen mit einer Realität konfrontiert, die zwischen altem und neuem Konzept der Nutzung eine Brücke schlägt. Während in den ehemaligen Computerräumen ein Teil der Ausstellung auf alten Überwachungsbildschirmen gezeigt wird, erhält der Raum durch seine Vielschichtigkeit und Einsicht von außen, einen Touch von sozialem Voyeurismus.
Zugleich erinnert der Anblick der kreuz und quer verlaufenden Leitungen und zahllosen Monitore auch an die deutsch-deutsche Vergangenheit bzw. an die DDR-Abhörmethoden und erhält zudem einen aktuellen Bezug zu den kürzlich auch in Deutschland eingeführten Staatstrojanern “Pegasus”. Wer am Ende welche Information über wen bekommt, bleibt hierbei offen.
Fireside Chats und Performance Space: The Future?
Teil des Konzepts waren zudem Seminare und Fire Side Chats, die verschiedene Thematiken wie Bildung und Zukunft auf ihre Agenda schrieben. In auf den ersten Blick an Spielzonen erinnernden Flächen und der Floating University wurden zudem Fragen und Antworten rund um Klimaschutz und die Sicherung des Planeten für nachfolgende Generationen aufgeworfen.
Eine Frage die angesichts der Corona Pandemie und den sich ausbreitetenden Kriegen nicht ohne Gewichtung durch die Räume hallt. Fakt ist, selbst die allerjüngste Generation hat bereits ein Gespür für das komplexe und gesellschafte Problem, vor dem die Erwachsenen seit dem Beginn der 2010er stehen. Nun geht es darum Lösungen und neue Konzepte zu finden, welche die vorhandene Ressourcen effektiv und umweltschonender nutzen. So zumindest der Duktus einer der besuchten Lesungen.
Bekannte Gesichter: Soziales und Politisches
Das Rahmenprogramm gestaltete sich als äußerst sozial und fast könnten die Besucher*innen glauben die Pandemie wäre vergessen. Die Bar als sozialer Dreh und Angelpunkt warf ein konträres Bild auf: umringt von zahllosen Menschen, gierig nach sozialer Interaktion. Während die Besucher*innen auf der anderen Seite eine Skulptur erblickten, welche kritisch soziale und klimapolitische Konflikte in Erinnerung rief. Die rotierenden Köpfe eines kahlen Mannes, einer Katze und einer Frau schwebten über Eisbergen und boten, durch die sinnbildliche Verschmelzung mit dem 70er Jahre Teppich, einen surrealen und nachdenklichen Anblick.
Wie das ICC in Zukunft genutzt werden soll und ob das Spaceshuttle weiterhin Kunst und soziales Leben beherbergen soll, bleibt nach den zehn Tagen, eine Frage die sich nun Franziska Giffey (SPD) und Bettina Jarasch (Grüne) stellen müssen. Prädestiniert für einen solchen gesellschaftlichen Flug ins kulturelle Universum, wäre das Gebäude in der nahen Zukunft durchaus. Bliebt nur die Frage nach der grauen Baumasse offen und was die Umnutzung bzw. deren Sanierung die Steuerzahler kosten dürfte.
Low Light: die Letzten machen das Licht aus…
Nach 10 Tagen verfiel „The Sunmachine“ vorerst wieder in denselben tiefen Winterschlaf, den es bisher erfahren hatte. Ob das Zentrum zukünftig als kultureller und sozialer Veranstaltungsort aufrecht erhalten wird und ob Berlin die immensen Kosten einer Sanierung aufbringen kann steht nun somit zum öffentlichen Diskurs. Faktisch spielt die Umnutzung freier Bausubstanz eine größere Rolle als je zuvor und deshalb sollte der Senat klügere Entscheidungen auf dem Immobiliensektor treffen. Ein heißer Diskurs, welcher angesichts von Klimakatastrophen, steigender Inflation und gesellschaftlicher Isolation definitiv geführt werden sollte.
#Dialogue
One response to “The Sun Machine Is Coming Down”
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