Der Ausstellungstitel hat uns natürlich auch neugierig gemacht, dies sind die Antworten, die Marlen beim letzten Atelierbesuch auf unsere Fragen diesbezüglich hatte.
Wie kommt es zu dem schönen Titel Deiner Ausstellung?
ML: Während der Arbeit an einem der neuen Bilder fiel mir auf, dass die darin dargestellten Objekte so arrangiert sind, als hätte man sie für eine Reise bereitgelegt. Die Art der Anordnung erinnert mich daran, wie man sorgfältig auswählt, welche Dinge man an einen bestimmten Ort mitnehmen möchte. Diese Überlegung ist für mich gerade sehr aktuell: Welche Objekte umgeben mich, und wie prägen sie mein Leben? Dinge gestalten nicht nur unsere Umgebung, sondern beeinflussen auch unsere Handlungen.
Jede Tasse zum Beispiel gibt uns implizit eine Anleitung, wie wir sie halten sollen. In meinen Bildern verweigern sich die Objekte einer eindeutigen Funktionszuweisung. Sie erscheinen einerseits klar, weil sie nach optischen Prinzipien funktionieren – also wie das Licht absorbiert und reflektiert wird oder Schatten ihre Farbigkeit annehmen –, andererseits wirken sie aber auch rätselhaft und fremd.
Sehnsucht, Altlasten und neue Perspektiven
Inwieweit spielt Sehnsucht in Deiner Malerei eine Rolle?
Es gibt immer die Sehnsucht nach dem neuen Bild.
Was ist Dein Gepäck der Sehnsucht und wohin geht die Reise ?
Ich sehne mich danach, dass wir aufhören, Sein und Sollen miteinander zu verwechseln. Dieser führt dazu, dass wir vieles einfach als gegeben hinnehmen und es zur Norm erklären nur weil etwas schon immer so war, heißt das nicht, dass es richtig oder unveränderlich ist. Ich wünsche mir, dass wir mutiger werden, utopischer denken und auch Dinge, die seit langem bestehen, als veränderungswürdig erkennen. Das verhandle ich nicht explizit in meiner Malerei, aber es steckt grundlegend darin.
Deine Motive entstehen natürlich in Deinem Kopf, die Du dann am Computer skizzierst, um sie anschließend in Malerei zu überführen. Inwieweit lässt Du Dich von der Ästhetik der Software inspirieren? Gibt es da auch eine Sehnsucht nach einer neuen Bildsprache?
Oft beginne ich mit einem vagen Gefühl, dem ich visuell Ausdruck verleihen möchte. Die Software ist dabei für mich ein wertvolles Werkzeug, aber sie definiert nicht das Endergebnis. Ich möchte mich nicht von Renderings abhängig machen und verändere daher im Malprozess oft noch Bildelemente.
Es kommt aber auch vor, dass ich bei der Vorarbeit am Computer unerwartet Bilder finde, zum Beispiel, wenn die virtuelle Kamera ungeplant einen interessanten Blickwinkel einnimmt. Manchmal entwickle ich mehrere Skizzen in derselben digitalen Umgebung, wodurch sich bestimmte Objekte in verschiedenen Arbeiten wiederfinden und eine subtile Narration entsteht. Was die Bildsprache betrifft, möchte ich mich selbst überraschen. Ich verfolge in dieser Hinsicht keinen Plan.
Der digitale Vanitas oder das moderne Stillleben
Deine Malereien lassen an eine moderne Form des Stilllebens denken. Allerdings sieht man hier nicht die aus der Kunstgeschichte bekannten Vanitas-Motive wie exotische Früchte, Totenkopf oder durch die Jagd erlegte Tiere. Vielmehr zeichnen sich deine Motive durch eine auffallend pastellige Farbigkeit aus und sie spielen mit den extremen Kontrasten taktiler Assoziationen von einer glossy, matten oder flauschigen Oberfläche. Woher stammen deine Objekte und die Idee für das Arrangement im bühnenartigen Setting?
Ich finde es faszinierend, Stillleben als Zeitzeugen zu betrachten. Sie spiegeln die Kostbarkeiten ihrer Epoche wider und erzählen durch symbolisch aufgeladene Objekte von den Werten und Lebenshaltungen ihrer Zeit. Ein Stillleben hat die besondere Fähigkeit, das Alltägliche in etwas Außergewöhnliches zu verwandeln. Dabei geht es nicht nur um die Objekte selbst, sondern um ihre Anordnung, die Lichtführung, die entstehenden Schatten und das Zusammenspiel von Farben und Texturen.
In meinem virtuellen Studio modelliere ich die Objekte zuerst digital und versehe sie mit spezifischen Materialeigenschaften. Danach arrangiere ich sie in einem Raum, der entweder reale Orte zitiert oder kunsthistorische Referenzen aufgreift, wie etwa ein Fenster oder einen Vorhang. Dieses Spiel mit Verweisen und Assoziationen ist mir wichtig, ohne dabei zu konkret zu werden. Auf der Bühne meiner Bilder werden die Objekte zu Protagonisten, die miteinander und mit dem Raum interagieren, wodurch eine Art der Erzählung entsteht.
Ein Dialog mit durch die digitalen Medien geprägten Bildbetrachter:innen
Aktuell wird in Politik, Gesellschaft und Kunst vom Einfluß der KI (= Künstliche Intelligenz) auf unser Leben diskutiert. In deinem Studio konnten wir das Buch „Kl, Kunst und Kitsch” (2024) der Berliner Philosophin Dorothea Winter entdecken. Darin legt die Autorin dar, dass Schönheitsvorstellungen zeitgebunden sind. Von KI geschaffene Bilder, die uns zunehmend umgeben werden, prägen Geschmack und ästhetische Urteile. Worin siehst du das besondere Potenzial deiner Malerei im Dialog mit deinem durch die digitalen Medien geprägten Bildbetrachter?
Malerei hat im Vergleich zu KI-generierten Bildern eine Reflexionsebene, die über das rein Formale hinausgeht. Sie ist in ein Bezugssystem eingebettet und steht immer im Dialog mit anderen Kunstwerken. Wie jede*r andere bin auch ich geprägt von meiner Umgebung. Doch ich bemühe mich, mich auch mit Werken auseinanderzusetzen, die mir nicht sofort zusagen, und versuche, mich darin zu üben, nicht vorschnell zu urteilen – das gilt ebenso für meine eigenen Bilder.
Mich faszinieren bestimmte ästhetische Qualitäten, und millennial pink ist für mich nach wie vor aktuell. Wenn man sich dieser Einflüsse bewusst ist, kann man in der Kunst Raum schaffen für das Unbequeme, für das, was auf den ersten Blick sperrig erscheint. Genau darin liegt das Potenzial: den/die Betrachter*in zu ermutigen, tiefer zu schauen und über den ersten Eindruck hinauszugehen.
LUGGAGE OF LONGINGS , GEPÄCK DER SEHNSUCHT.
Eröffnung: 05. September, 18 – 21 Uhr
Mehr zur Ausstellung & Künstlerin
FWR | FeldbuschWiesnerRudolph Galerie
Jägerstraße 5 | 10117, Berlin
+49 30 69504142
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