Zum Gallery Weekend Berlin Ende April 2023 wird die neu von der Feldbusch.Wiesner.Rudolph Galerie vertretene Künstlerin Christine Streuli die Ausstellungsräume mit ihren zarten Bildflechten und ihrer um so intensiveren Leuchtkraft zum immersiven Erfahrungsraum transformieren. Es wird Farbe gesprüht, abgeklatscht und monumentale Sticker zitieren selbstreferentiell die Malerei auf Leinwand – und bannen sie zugleich demonstrativ an die Wand. Wie um einen Moment festhalten, bevor er zerfällt, auseinander bricht, verschwindet …
Falling Apart (long version) von Christine Streuli
Die Künstlerin Christine Streuli weiß um die besondere Wirkungsmacht der Farbe, ihre Intensität wie Expressivität und ihre Schönheit und setzt diese bewusst ein – ikonisch wie emotional. Unvergessen ist Streulis Auftritt 2007 auf der Venedig Biennale, als sie die Räume des Schweizer Pavillon mit ihrem Allover-Gestus aus Wandmalereien, Leinwänden und Monotypien geradezu zum Vibrieren brachte. Ihre nachfolgenden Soloshows im Kunstmuseum Luzern und Haus am Waldsee (beide 2013), in der Berlinischen Galerie (2017), dem Museum Folkwang Essen (2018) oder Kunstmuseum Thun (2020) begeisterten die Besucher aufgrund ihrer intensiven Energie eines stark bewegten Form- und Farbkanons und ihren Bildzeichen von Explosion, Geste, Geschwindigkeit und Farbtemperatur.
Streuli arbeitet selten mit dem klassischen Malerwerkzeug des Pinsels – vielmehr druckt, sprayt, schüttet oder spritzt sie Farbe auf ihre Leinwände. In ihrer neuesten Werkserie mit Bildtiteln wie „Auseinanderfallen“ wirkt die versierte Künstlerin ihrem Kalkül und ihrer Erfahrung bewußt entgegen – und entscheidet sich für den Zufall. So nutzt sie die Technik des Abklatschverfahrens, das auch aus der Malerei des Surrealisten Max Ernst (1891-1976) bekannt ist, um freie, unbekannte Formen und Strukturen zu schaffen.
op-Art-MAnier und Metamorphose
Diese Idee der Häutung, des Peeling bedeutet das Absetzen einer gegebenen Oberfläche mit dem Wunsch der Erneuerung. Doch wessen will sich das Bild entledigen? Schaut man durch die Farbschichten auf die darunterliegenden kompositionsbestimmenden Formen, so sind geometrische Muster zu erkennen, die in ihrem prismenartigen Hell-Dunkel-Wechsel an changierende Räumlichkeiten in Op-Art-Manier denken lassen. Zur Bildmitte hin verliert sich die Logik des Konstruktivistischen und durchläuft eine Metamorphose zu undefinierbaren Formen, die die Assoziation an Gegenständliches, Vegetatives oder Tierisches wecken. Der zur Mitte hin kulminierende Prozess des „Auseinanderfallen(s)“ der Formen wird von einer leuchtenden Farbigkeit überstrahlt.
Sie diffundiert vollkommen frei und konturlos aus der Bildmitte zu den Rändern. Pudrig leicht, beinahe immateriell anmutend legt sich der Farbübergang eines Pink über Orange zu einem hellen Gelb auf die Bildoberfläche und schafft eine atmosphärische Stimmung. Und wie schon in den koloristischen Farbwolken der niederländischen (Landschafts)Malerei des 16./17.Jhs transportiert sich auch im leuchtenden Äther der Streuli- Malereien eine Metapher zum Emotionalen und Ethischen.
Tendierte die Künstlerin Christine Streuli in ihrer Malerei der 2000er Jahre zu einem energetischen, geradezu revolutionären Akt der Sprengung der Grenzen des Bildes und des (architektonischen) Raumes, so sind die(se) Grenzen heute durchlässiger geworden. Die neu gewonnenen Freiheiten schaffen neue Optionen. Aber sie ätzen auch an der Oberfläche von Identität, Wunden, Familie, Schutz, Geborgenheit. Kämpferisch wie eh zelebriert Streuli ihre Malerei als einen Ort der Wahrheit, der Freiheit und der Sehnsucht.
Biografie:
Christine Streuli (geb. 1975 in Bern, CH) lebt und arbeitet in Berlin. Seit 2015 lehrt sie als Professorin an der Universität der Künste Berlin. Im Frühjahr 2017 wurde die Künstlerin mit dem Fred-Thieler-Preis der Berlinischen Galerie ausgezeichnet. Ihre Einzelausstellung sowie in weiteren internationalen Institutionen wie dem Kunstmuseum Thun (2020), dem Museum Folkwang Essen (2018), der Berlinischen Galerie (2017), dem Haus am Waldsee, Berlin und dem Kunstmuseum Luzern (2013), dem Aargauer Kunsthaus, Aarau (2008), dem Swiss Pavillon, Venedig Biennale (2007), der Kunsthalle Zürich (2005) u.a..
Streuli stellt regelmässig in Gruppenausstellungen aus, wie im Kunstmuseum Winterthur (2019), an der 19. Biennale von Sidney und Kunsthalle Nürnberg (2014), im Marta Herford (2010), im Helmhaus, Zürich (2009) u.a. Die Werke der Künstlerin sind in zahlreichen Sammlungen vertreten wie jener des Kunsthaus Aarau, Kunsthaus Zürich, Sammlung Museum Folkwang, Sammlung Berlinische Galerie, Sammlung Kunstpalast Düsseldorf, Sammlungen der Stadt Zürich, Kunstsammlung Kanton Zürich, UBS Art Collection, Sammlung Bank Bär, Zürich u.a.
You must be logged in to post a comment.