Elisabeth Rosenthal – Das Haus und unerreichbare Sehnsüchte
Elisabeth Rosenthal, Sie eröffnen die Ausstellung mit einer Performance von Sailor Single, einem kühn dreinblickenden Matrosen mit Look und Auftreten einer Diva. Wer ist Sailor Single?
Mein Alter Ego, mit autistischen Zügen, mimisch beherrscht, aber verspielt und oft lustig. In meiner Performance läuft das Sailor Single einem blauen Lichtpunkt hinterher, und im Hintergrund spreche ich Texte, in denen eine Frau von verschiedenen Hausbauprojekten erzählt. Von einem Häuschen auf dem Land zum Beispiel, das sie günstig erworben hat und das sich dann als leider unbewohnbar entpuppt. Ein Fehlkauf.
Sie haben „Haus“ als Thema gesetzt. Warum? Eine Reaktion aufs Zeitgeschehen, auf Mietenwahnsinn und Wohnungsmangel?
Nein. Ich laufe hier in Berlin oft durch die Straßen, sehe Häuser und denke, o wie schön, hier würd ich gern wohnen. Mir ist klar, dass das vermutlich nie passieren wird. Ich sehe mich als Künstlerin, die hauptsächlich unerreichbare Sehnsüchte behandelt und Ersatz schafft für Fehlendes.
Wie tun Sie das?
Indem ich mich künstlerisch damit beschäftige und andere einlade, es auch und mit mir zusammen zu tun. So entsteht eine Community, eine Art ideelles Zuhause.
Eingeladen haben Sie sehr unterschiedliche Werke: Audioarbeiten, Zeichnungen, Installationen und Videos. Wie haben Sie sie ausgewählt?
Mir ist Interdisziplinarität wichtig, nur Malerei, das fände ich langweilig. Einige der Künstler:innen kenne ich noch aus Studienzeiten in Dresden und London, Marten Schech etwa, dessen begehbare Hausskulpturen mir immer sehr gefallen haben. Andere sind mir auf Instagram aufgefallen, wie die Amerikanerin Lilly McElroy, deren Videoarbeiten ich toll finde.
Leanne Rivers – Das Haus als Objekt der Begierde
Leanne Rivers, Sie sind Schauspielerin, Regisseurin und Voice Artist. Ihre Arbeit legt nahe, dass Sie das Thema Haus ganz anders sehen als Elisabeth Rosenthal.
In Elisabeths Performance geht es ums Haus als ein Objekt der Begierde. Für mich tauchen Erinnerungen auf – an das Haus, das ich hatte als Kind. Ich zeige eine Installation, die ich mit einer Audioarbeit begleite, und die inszeniert familiären Horror.
Warum der Titel „Pride and Shame“?
Ich komme aus Nordengland, bin in York aufgewachsen, britische working class und auch stolz darauf. Wir sind oft umgezogen, und wirklich alles, was eine Familie dysfunktional machen kann, gab es auch bei uns, Alkohol, Drogen, Missbrauch. Für mich war es ein Knast, und ich wollte nur eins: raus, so schnell wie möglich.
Marie Jakupovic – das Haus als (un)safe space
Das Haus als (un)safe space taucht auch in Ihrer Arbeit auf, Marie Jakupovic. Sie nennen sie „Quantenhaus“. Ein Quantenhaus, was ist das?
Die Quantenphysik kennt Dinge, die beides gleichzeitig sind, da und nicht da, und ich bediene mich gern populärwissenschaftlicher Konzepte, wenn sie evozieren, was ich meine. Ich habe länger in Bosnien Herzegowina gelebt, kurz nach dem Krieg, und ich habe dort all die kaputten Häuser gesehen, eben noch voller Leben, jetzt verfallen. Sicherheit ist flüchtig und oft schon weg, wenn sie noch da scheint.
Für mich ist das ein wichtiger Aspekt, den ich auch in der Arbeit von Allessandro La Rocca erkenne, der mit uns ausstellt – in seinen Minibunkern aus Beton und Bronze, so klein, dass man sie sich in die Tasche stecken kann.
Pascal Brateau – Ausstieg aus der Welt
Der Künstler Pascal Brateau zeigt Silhouetten von Häusern, geschnitzt aus Kreditkarten. Eine Kritik am Kapitalismus, der Wohnen zur Ware macht?
Elisabeth Rosenthal: Ich sehe etwas ganz anderes darin, nämlich die Inszenierung eines Ausstiegs aus der Welt. Die Kreditkarten sind kaputt, nichts geht mehr. Und mich erinnert das an eine Aktion des britischen Künstlers Michael Landy, der alles zerstörte und aufgab, was er hatte. Sein Haus, sein Auto, einfach alles.
Und Pascal Brateau, interpretiert er selbst seine Arbeit auch so?
Das müssen Sie ihn fragen. Er wird da sein zur Finissage.
DOMUS SQUARE DANCE
Ausstellung:
12. bis 27.10.2024,
DO bis SO 14 – 19h
Teilnehmende Künstler:innen
Leanne Rivers, Marten Schech, Manuel Frolik , Marie Jakupovic, Martha Ulrike Zimmmermann, Elisabeth Rosenthal, Lilly McElroy, Pascal Brateau, Alessandro La Rocca, Christian Henkel.
Meinblau Projektraum,
Pfefferberg Haus 5,
Christinenstr, 18-19,
10119 Berlin
Mehr Informationen zur Ausstellung.
Header Image: Elisabeth Rosenthal, Dachfoto Nummer 10. Foto: David Pinzer (2023). Dach Meinblau/Olafur-Eliasson-Studio
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