Die Wahl eines Faschisten in den USA und die (wenig) überraschende Entlassung von Christian Lindner mit dem darauffolgenden Bruch der Ampelkoalition haben bei vielen Aktiven in der Behindertenpolitik Besorgnis ausgelöst. Die versprochenen Reformen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetze (AGG) oder des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) erscheinen nun noch unwahrscheinlicher und über Jahre in weite Ferne gerückt, da die politische Lage unsicher ist (Rechtsruck in der Gesellschaft) und Neuwahlen bevorstehen.
Trotz dieser Dringlichkeit steht zu bezweifeln, dass die laufende Regierung diese Themen noch angeht. Die Betroffenen fragen sich sehr besorgt um ihre Zukunft und Sicherheit, ob die bisherigen Anstrengungen umsonst waren und wie es weitergehen könnte …
Ich muss gestehen, dass es in Zeiten wie diesen schwerfällt, optimistisch zu bleiben.
Mehr denn je benötigen wir Aktivismus, Zusammenhalt und Solidarität.
Dabei spüre ich zunehmend die Auswirkungen meiner gesundheitlichen Herausforderungen – verstärkt durch die Tendenz, meine Behinderung zu ignorieren. Diese Haltung fordert ihren Tribut: Es ist der Beginn eines Disability Burn-outs, einer tiefen körperlichen und emotionalen Erschöpfung. Dieser Zustand entsteht nicht nur durch die Belastungen der eigenen Behinderung, sondern auch durch den internalisierten Ableismus – den erlernten Druck, sich über Leistung und Funktionalität eine Daseinsberechtigung zu erarbeiten.
Die Warnzeichen sind unübersehbar, bei mir wie bei vielen Mitstreiter*innen: Wir fühlen uns immer schneller ausgelaugt. Bei mir äußert sich das durch Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren oder klare Prioritäten zu setzen. Ich habe das Gefühl, in einer Abwärtsspirale aus Behinderung, Erschöpfung, Untätigkeit und Selbstvorwürfen festzustecken.
In den vergangenen Wochen habe ich versucht, einen Gang herunterzuschalten, weshalb auch dieser Newsletter pausierte. Doch ich bin immer noch dabei herauszufinden, was passiert, wenn ich meine Energie nicht mehr vollständig in den Kampf gegen meinen internalisierten Ableismus stecke. Dieser innere Antreiber will mir einreden, dass ich nur dann etwas wert bin, wenn ich leiste oder alles allein bewältige.
Eine Antwort darauf habe ich leider bisher nicht gefunden.
Ra(s)tlose Grüße
Raul
IDEE DER WOCHE
Wie wäre es, wenn Deutschlands größte Soziallotterie mal wirklich nachhaltig behinderte Menschen unterstützen würde und Teilhabe und Teilgabe finanziert, in dem sie einfach ab sofort monatliche Grundeinkommen an alle Menschen mit Behinderung auszahlt. Und zwar nur an die!
(Natürlich wäre ein Grundeinkommen für alle besser. Allerdings sollte dieses dann der Staat zahlen und nicht eine private Lotterie.)
TOLLE BEGEGNUNGEN
Ein Talkformat auf Twitch und YouTube, das von einem kreativen Team junger Menschen mit Behinderung entwickelt wurde und von der Schauspielerin und Moderatorin Saioa Alvarez Ruiz moderiert wird. Beim Kochen spontaner Pastasoßen-Kreationen und kleinen Spielen wird sich nebenbei locker unterhalten. Eine tolle Plattform für Inklusion und Vielfalt, bei der Perspektiven marginalisierter Gruppen selbstverständlich behandelt werden.
Für mich war mein Auftritt in der Sendung einer der schönsten der letzten Jahre. Die Atmosphäre war einzigartig, und es war besonders befreiend, tiefere Gespräche ohne die Notwendigkeit von Erklärungen führen zu können.
Auch die anderen Folgen mit David Lebuser, Sebastian Hotz (El Hotzo), Sookee und Janina Nagel.
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