Unheil und Schönheit
kuratiert von Vanessa Souli
Kim ist eine international renommierte Künstlerin aus Korea, die seit Anfang der 90er Jahre in Berlin lebt. Hier kennt man sie nicht zuletzt dank zwei großer Einzelausstellungen auf dem Kulturforum am Potsdamer Platz.
„Himmelsmeer“ ist der Titel und zu sehen sind große Arbeiten, die Meerespanoramen zeigen, daneben kleinere Werke mit Wasserfällen und Waldlandschaften. Keine Spur von Tieren oder Menschen – Jinran Kims Landschaften strahlen Stille aus, eine totale, fast unheimliche Stille. Grautöne dominieren, und von weitem gesehen wirken die Meeresbilder fast wie Schwarz-Weiß-Fotografien, so realistisch schäumen die Wellen. Aus der Nähe wird sichtbar, dass sie dreidimensional sind, zusammengesetzt aus Abertausenden kleiner Stofffäden.
Textile Gebilde, deren Kunstfertigkeit frappiert – wie sind diese Arbeiten entstanden? „Ich habe Gaze zerrissen“, so Kim, „die man zum Verbinden von Wunden nutzt. Die Fädchen habe ich mit Asche eingefärbt und dann auf Papier genäht, so dass sie das anvisierte Bild ergeben.“
Eine Vorliebe für das Düstere
Die Arbeit mit extravaganten Materialen wie Gaze, Asche oder Seife ist ein Markenzeichen der Künstlerin Jinran Kim. Gaze ist das Material, das ihr jüngste Schaffensperiode prägt. Für sich entdeckt habe sie Gaze, als ihre Mutter starb. Die Mutter sei lange krank gewesen und ihr Haus in Seoul immer voller Wundverbände, auch nach ihrem Tod 2015 noch.
Kim ist in Seoul geboren und aufgewachsen. Sie hat dort Bildhauerei studiert und ist 1994 für ein Aufbaustudium an der Universität der Künste nach Berlin gekommen. Seither lebt sie hier, reist aber regelmäßig nach Korea, um an Kunstprojekten mitzuwirken – jüngst etwa an der schillernden Medienfassade des Lotte World Tower, eines der höchsten Gebäude der Welt.
So bunt und digital arbeitet sie in Berlin nicht. Ganz im Gegenteil: Hier hat sich Kim einen Namen gemacht als Künstlerin, die Themen wie Tod und Tod verhandelt. Sie hat mit Asche gemalt – große Szenarien zerbombter Städte, darunter auch das kaputte Berlin von 1945. Und sie hat Särge montiert, aus Seifenstücken. Woher diese Vorliebe für das Düstere?
Die Menschen missachten, beuten aus und zerstören
„Das hat mit meiner Geschichte zu tun, sicher auch mit der Krankheit meiner Mutter, unter der ich sehr gelitten habe. Natürlich spielt auch meine Herkunft eine Rolle. In Korea ist Krieg als Möglichkeit immer präsent. Das Apokalyptische habe ich einfach im Kopf, egal was ich mache.“
Und das gilt auch für die aktuell ausgestellten Werke im Schindler Lab. Kims Landschaftspanoramen reinszenieren eine Natur, die sie als höchst bedroht wahrnimmt – durch Menschen, die sie missachten, ausbeuten und zerstören. Kim ist überzeugt: Wenn es so weitergeht, bleibt dem Leben auf diesem Planeten nicht mehr viel Zeit.
Schönheit der Darstellung ist ein Grundprinzip
Ihre Landschaften haben etwas Gespenstisches, doch anzusehen ist der drohende Untergang ihnen nicht. Dazu sind sie schlicht zu schön, zu perfekt. Birgt nicht eben das auch die Gefahr, eine Katastrophe zu ästhetisieren?
„Das ist eine sehr europäische Frage, die in Asien niemand stellen würde“, so Jinran Kim. „Schönheit der Darstellung ist ein Grundprinzip, unabhängig vom Inhalt. Ich ästhetisiere Katastrophen nicht, ich zeige sie. Und ich habe das Material Gaze gewählt, weil es eine metaphorische Qualität hat. Es geht darum, zu heilen.“
HIMMELSMEER – Jinran Kim
31. Mai bis 21. Juni 2024
Eröffnung am Freitag den 31. Mai um 18 Uhr
Öffnungszeiten im Schindler LAB
Bäckerstrasse 3, 14467 Potsdam
nach Vereinbarung
Galerie Schindler
Charlottenstraße 86
14467 Potsdam
Schindler LAB
Bäckerstrasse 3
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