Die performte Reality oder die Leere des modernen Marketings

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Es ist ein vertrautes Schauspiel. Ein lächelndes Team beugt sich über Laptops, ein Flipchart mit aufsteigendem Graphen im Hintergrund. Darunter ein Text, der klingt wie eine Motivationsrede im PowerPoint-Format: „Wir performen Zukunft – holistisch, sustainable, emotional.“ Die Menschheit könnte an dieser Stelle lachen, wäre es nicht so symptomatisch asynchron zur Realität.

Diese Sprache – reich von Synergien, Stakeholdern, Purpose und Flexibilität – ist längst zur Kunstform des Inhaltslosen geworden. Sie tut so, als würde sie die Welt erklären, doch sie beschreibt nur den Spiegel ihrer eigenen Oberfläche.

Sie spricht von Werten, wo eigentlich nur Wertschöpfung gemeint ist. Oder von Menschen, wo es um Märkte geht, und von Emotionen, wo nur Strategie herrscht.

Die Poetik der Worthülse

Das Vokabular dieser Kommunikationswelt ist faszinierend in seiner Hohlheit. Jedes Wort – „Impact“, „Inspiration“, „Impulse“, „vertical“, „Lead“ – klingt nach Bewegung, nach Fortschritt, nach Zukunft. Doch die Worte laufen ins Leere, wie auf Hochglanz polierte Ballons, die langsam an der Zimmerdecke hängen bleiben.

Was hier geschieht, ist nicht Kommunikation, sondern Simulation von Bedeutung. Die Sprache des Marketings hat sich von ihrer ursprünglichen Aufgabe – etwas mitzuteilen – gelöst. Aktuell dient sie nur noch dem Zweck, eine Atmosphäre von Sinn zu erzeugen, wo keiner ist. Sie will das Gefühl von Tiefe vermitteln, während sie den Grund unter den Füßen abschafft.

Innerhalb kürzester Zeit erzielt ein solcher inhaltsloser Artikel mehr Impressionen, als ein mit Herzblut geschriebener Text einer realen Person. Schaffen wir uns dank KI und KPIs mit diesem sinnentleerten Bla-Bla selbst ab?

Das Lächeln der Effizienz

Das dazugehörige Stockfoto-Teamlachen ist dabei kein Zufall. Es ist der visuelle Ausdruck derselben Ideologie: Die Menschen lachen nicht, weil sie Freude empfinden. Sie lachen gezwungenermaßen, weil die Kamera läuft. Oder weil es die Stellenausschreibung vorgibt.

Es ist das institutionalisierteste aller Lächeln: das Lächeln der Corporate Happiness, die zum Standard geworden ist. Während Authentizität zur neuen Währung des Erfolgs erklärt wurde.

Dieses Lächeln sagt: „Wir lieben, was wir tun.“ Aber es bedeutet: „Wir müssen lieben, was wir tun – sonst performen wir nicht.“ Und so wird Emotion selbst zur Ressource, zur Pflicht, zur Messgröße.

Die Ideologie des „Purpose“

In diesem Kosmos darf nichts mehr einfach nur funktionieren – es muss sinnstiftend sein. In der Realität ist es weder das eine, noch das andere. Der „Purpose“ ist das neue Evangelium, die Missionserklärung die moderne Liturgie. Agenturen, Konzerne, Start-ups – alle sprechen davon, „Menschen zu inspirieren“ und „Zukunft zu gestalten“.

Doch selten wird gefragt, wer diese Zukunft eigentlich gestaltet, und für wen. In Wahrheit ist diese Sprache das ästhetische Feigenblatt eines Systems, das keine rhetorischen Pausen kennt. Ein System, das Selbstoptimierung predigt, während es Erschöpfung produziert; das Verbundenheit beschwört, während es Vereinzelung perfektioniert.

Die Krise der Bedeutung

Das Tragische – und zugleich Komische – daran ist: Diese Texte meinen es oft ehrlich. Sie sind Ausdruck eines kollektiven Versuchs, in einer fragmentierten Welt Bedeutung zu rekonstruieren. Doch der Versuch scheitert nicht nur an der Form, sondern vor allem am Inhalt.

Ich habe anderthalb Jahre lang mein Leben mit einer Person geteilt, deren Rhetorik genau diesen leeren Worthülsen bedient. “Immer schön bei sich bleiben,” gemeint ist damit, den ganzen Raum einzunehmen. “Perspektive ändern,” und dabei immer wieder dieselbe Platte laufen lassen. “Leadership, means fellowship.”

Nicht mehr als heiße Luft. Je aufgeblasener die Sprache, desto erfolgreicher der Mensch dahinter. Echter Inhalt bleibt dabei zweitrangig, kurzum auf der Strecke liegen.

Denn wo jedes Wort zur Marketingeinheit wird, verliert Sprache ihre Fähigkeit, Wirklichkeit zu beschreiben. So verwandelt sich Kommunikation in Selbstbespiegelung, Sinn in Stil, Authentizität in Pose. Das ist die eigentliche Ironie: Je mehr das Marketing „Echtheit“ beschwört, desto künstlicher wird sie. Dabei erzeugt sie eine Echtheit im synchronen Dauerzustand der Simulation.

Und was bleibt?

Vielleicht bleibt nur das Bedürfnis, endlich wieder ehrlich zu sprechen. Nicht von „Performance“ oder „Excellence“, sondern von Unsicherheit, Suche, Scheitern, Glück. Von dem, was nicht skaliert, nicht monetarisiert, nicht in KPIs messbar ist.

Denn erst, wenn wir aufhören, Inspiration zu performen, können wir wieder anfangen, Bedeutung zu empfinden. Bis dahin bleibt das Lachen der Stockfoto-Teams das stille Symbol einer Zeit, die alles sagen will. Dabei jedoch vergisst, warum überhaupt.

Das Beispiel meines persönlichen KI-arrhoe finden Sie hier.

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Alexander Renaldy Avatar

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