Demnächst im C/O Berlin

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Das C/O Berlin präsentiert vom 13. Mai bis 7. Sep 2023 mit Daido Moriyama – Retrospective, Jochen Lempert – Lingering Sensations und Farah Al Qasimi – Poltergeist gleich drei Ausstellungen von Fotograf:Innen, die sich auf unterschiedlichste Weise ihrer unmittelbaren Umgebung widmen – sei es die Straße, die Natur oder im privaten Raum. Die Eröffnung findet am Freitag, den 12. Mai 2023, um 20:00 bei C/O Berlin im Amerika Haus statt.

Daido Moriyama, Jochen Lempert & Farah Al Qasimi


Daido Moriyama

Retrospective

Herausfordernd und mürrisch blickt uns ein Hund mit zugewandtem Körper und gesenktem Kopf an. Man hört förmlich das Knurren und Hecheln. Während ein Teil seines struppigen Fells von Sonnenstrahlen hell erleuchtet ist, verschwindet seine Schnauze im Schatten. Ob dieser Straßenköter eine Ahnung davon hat, dass dieses Schwarzweißbild von ihm zu einer Bildikone werden wird?

Daido Moriyama (*1938, Osaka) hat im Laufe seiner 60-jährigen Karriere die Art und Weise, wie wir Fotografie sehen, maßgeblich verändert. Mit seiner Kamera hat er nicht nur seine direkte Umgebung dokumentiert und eine künstlerische Gesellschaftsanalyse des Nachkriegsjapans geschaffen, sondern auch das fotografische Medium selbst befragt. Seine unverkennbare Bildsprache ist ebenso legendär wie seine zahlreichen Publikationen, die in seinem Werk einen zentralen Stellenwert einnehmen. Die Retrospektive im C/O Berlin präsentiert neben rund 250 Arbeiten und raumgreifenden Bildinstallationen auch Dutzende noch nie zuvor ausgestellter Fotobücher und Magazine von einem der originellsten und einflussreichsten Künstler und Straßenfotografen der Gegenwart.

Reproduzierbarkeit von Bildern, ihre Verbreitung und ihren Konsum

Massenmedien und Werbung, gesellschaftliche Tabus oder schlichtweg die Theatralität des Alltags – Daido Moriyamas fotografische Themen haben Betrachter:innen seit jeher in ihren Bann gezogen. Pointiert hat er das Aufeinanderprallen von japanischer Tradition und beschleunigter Verwestlichung in Folge der amerikanischen Militärbesetzung Japans nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kommentiert. Inspiriert durch US amerikanische Künstler wie Andy Warhol und William Klein sezierte er die aufkommende japanische Konsumgesellschaft mit Messerschärfe und thematisierte darüber hinaus die Reproduzierbarkeit von Bildern, ihre Verbreitung und ihren Konsum. Immer wieder hat Moriyama auch sein eigenes Bildarchiv in neue Zusammenhänge gesetzt und mit Vergrößerungen, Fragmentierungen und Bildauflösungen experimentiert. Bis heute gelten sein künstlerischer Pioniergeist und die visuelle Intensität als wegweisend.

Unterteilt in zwei Schaffensphasen präsentiert die Retrospektive zuerst seine frühen Serien für japanische Zeitschriften wie Camera Mainichi und Asahi Camera, die Auseinandersetzung mit fotografischem Realismus, seine Experimente im Provoke-Magazin oder seine Jahre auf Reisen. Diese avantgardistischen Arbeiten etablierten seine einzigartige Ästhetik: unscharfe und körnige Schwarzweißfotografien mit ungewöhnlichen Bildbeschnitten, die unter der Maxime „are, bure, boke“ (körnig, verwackelt, aus dem Fokus) stilprägend für eine ganze Generation wurden. Der zweite Ausstellungsteil setzt nach einer kreativen Schaffenskrise Moriyamas von fast 10 Jahren an: seit den 1980er Jahren erforscht er das Wesen der Fotografie und sich selbst, indem er eine visuell-lyrische Reflexion über Realität, Erinnerung und Städte entwickelte, die durch ihre konzeptuelle Tiefe überzeugt.

Über die Ausstellung

Daido Moriyama – Retrospective basiert auf einer dreijährigen Recherche und ist somit eine der umfangreichsten Ausstellungen zu dem Werk des japanischen Fotokünstlers, die je zusammengestellt wurde. Sie wird vom Instituto Moreira Salles in Zusammenarbeit mit der Daido Moriyama Photo Foundation organisiert. C/O Berlin zeigt sie als zweite Institution weltweit und erste Station in Europa. Kuratiert von Thyago Nogueira, Instituto Moreira Salles, in Zusammenarbeit mit Sophia Greiff, C/O Berlin Foundation. Eine ausstellungsbegleitende Monographie erscheint im Prestel Verlag.

Ausstellung 13. Mai – 7. Sep 2023

Organisiert von Instituto Moreira Salles, in Zusammenarbeit mit Daido Moriyama Photo Foundation. Ermöglicht durch C/O Berlin Friends e.V.

Jochen Lempert

Lingering Sensations

Der in Hamburg lebende Fotograf Jochen Lempert geht den Spuren der Natur nach: Hier hat ein Leuchtkäfer den Film selbst belichtet, dort sind kleine Frösche auf sensiblem Fotopapier herumgehüpft und haben während der Belichtung geisterhafte Abdrücke hinterlassen. Die Abbildungsmöglichkeiten des Mediums Fotografie verschmelzen mit den Eigenschaften der Tiere: es entsteht ein Werk, das sich als künstlerische Variation der Biologie interpretieren lässt.

Untitled (Plastic Bag II), 2017 © Jochen Lempert/VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Courtesy ProjecteSD, Barcelona and BQ, Berlin

Frösche, Tauben, Schwäne, Insekten, Pflanzen, Menschen, Wolken, das Meer – die Vielfalt der Natur bevölkert Lemperts Bilder. Die Fotografien verwickeln die Betrachter:innen beim näheren Hinsehen in ein Spiel der Assoziationen und Vergleiche. Sie zeichnen filigrane Formensprachen nach und spielen dabei mit bildgebenden Verfahren der Natur (z.B. Schmetterlingsflügeln) und Mechanismen unserer Wahrnehmung wie Physiognomien oder Anthropozentrismen.

Die Magie der Natur

Das Schwarz-Weiß und die Körnigkeit der fotografischen Handabzüge erlauben eine Abstraktion im Erleben unserer Umwelt. Ihr pointierter Einsatz lädt uns ein, genauer hinzuschauen, uns Zeit zu nehmen und die Magie natürlicher Anordnungen zu bestaunen. Die feine Formation von Sommersprossen auf einer Schulter, das perfekt ausbalancierte Blatt auf dem Rücken einer Ameise oder die wackeligen Türme aus Meeresschwämmen. Das Besondere im scheinbar Gewöhnlichen tritt hervor: Wann hat sich Alltägliches jemals als so schön offenbart?

Doch Jochen Lemperts poetisches Werk stellt uns die Natur in einem Zustand vor, der immer mehr in Gefahr gerät: Die unwiderruflichen Eingriffe des Menschen in die Umwelt verkleinern die Überlebens-chancen unserer Tier- und Pflanzenwelt – Eine Millionen Arten sind derzeit vom Aussterben bedroht. Lemperts seit den 1990er Jahren andauernde fotografische Erkundung des Zusammenspiels von Mensch und Umwelt nimmt heute eine neue Brisanz an. Die Faszination, Neugier und Begeisterung für die Natur, die aus jedem seiner Bilder sprechen, können uns nur daran erinnern, wie wichtig der Erhalt dieser einzigartigen Vielfalt ist.

Über die Ausstellung

Mit Lingering Sensations präsentiert C/O Berlin die erste institutionelle Ausstellung von Jochen Lempert in Berlin. In drei thematisch organisierten Kapiteln erforschen Wandarbeiten in Kombination mit der Präsentation in Vitrinen grundsätzliche Parameter seines Werks – von den Anfängen in den 1990er-Jahren bis heute. Die Präsentation wird um eine visuelle Biografie ergänzt, die mit Einladungskarten, Postern und anderen vom Künstler gestalteten Drucksachen von der Entwicklung dieses aufregenden und international einzigartigen Werks erzählt.

Ausstellung 13. Mai – 7. Sep 2023

In Zusammenarbeit mit Centre Pompidou, Paris, Huis Marseille, Amsterdam

Farah Al Qasimi

Poltergeist

Eine Nahaufnahme einer rot-rosa und mit diversen Mustern versehenen Couch. Im Zentrum des Bildes ein Abdruck, so als hätte gerade noch jemand dagesessen oder die Hand eingedrückt. Ein Spiel zwischen Anwesenheit bei gleichzeitiger Abwesenheit. Eine unheimliche und ebenso verspielte Aura. Ist es ein banales Alltagsszenario oder ein Kontaktversuch aus dem Jenseits? Wie fotografiert man etwas, das nicht greifbar ist?

Hand Print, 2021 © Farah Al Qasimi

Die Ausstellung der multidisziplinären Medienkünstlerin Farah Al Qasimi (*1991, ARE) besteht aus Fotografien und einer Videoarbeit. Beeinflusst von den Horrorfilmen der 1970er und 80er Jahre, die sich im häuslichen Setting abspielen, geht sie den Spuren eines Poltergeists nach, der sein Unwesen in den heimischen vier Wänden treibt. Objekte bewegen sich wie von selbst, Räume sind durchdrungen von psychischer Energie und die Sicherheit des eigenen Heims wird durch die Tyrannei der Objekte in Frage gestellt. Mit Humor und Leichtigkeit gelingt der visuellen Geschichtenerzählerin der Spagat zwischen beiden Welten ebenso sehr wie zwischen Dokumentation und Fiktion, Metapher und Banalität.

Post-Internet-Kultur und Identität

Mit ihrer Kamera durchkreuzt die Künstlerin den privaten Raum und dokumentiert Alltagssituationen und -gegenstände in opulenten Interieurs und makellosen Bädern, stets mit ihrem unverkennbaren Blick für kulturelle Details und ihre spezifische Ästhetik. Dabei entziehen sich ihre Bilder einer genauen geografischen Verortung – die Fotografien selbst sind an einem breiten Spektrum von Orten entstanden, von Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, bis Detroit, Michigan. In den surrealen Bildkompositionen und dem herrlichen Zusammenspiel künstlicher Pastelltöne und camouflageartiger Textilien zeichnet sich Al Qasimis besondere Handschrift ab. Scharfsinnig beobachtet sie unsere Post-Internet-Kultur und rückt Themen wie Identität, Feminismus, Konsum und Wirtschaftswachstum, sowie die Politik und das Erbe synthetischer Materialien in den Vordergrund.

Über die Austellung

Für Poltergeist setzt sie nun frühere Arbeiten mit kürzlich entstandenen Bildern in einen neuen Zusammenhang und schafft es so neben einer geheimnisvollen Atmosphäre des Unheimlichen gleichzeitig Empathie für das eigentümliche Gespenst hervorzurufen. Eine begleitende Videoinstallation zeichnet die Herkunft von Objekten in einer überwältigenden kapitalistischen Stadtlandschaft nach, in der niemand – nicht einmal die Geister – vom Schicksal als Konsument:In befreit ist.

Ausstellung 13. Mai – 7. Sep 2023

C/O Berlin präsentiert mit Farah Al Qasimi – Poltergeist die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin in Europa, die in den USA schon längst ein Shootingstar ist. Die Ausstellung wird ermöglicht durch eine Spende von Jan Fischer.

Mehr Zum C/O Berlin und den Aktuellen Ausstellungen finden Sie hier.

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