Nachdem die Berliner Technokultur durch die Kultusministerkonferenz als immaterielles Kulturerbe anerkannt wurde, kämpft die Club- und Livekultur weiter um die kulturelle Anerkennung und sucht dafür den Austausch mit der Bundespolitik. Abgeordnete der Bundestagsfraktionen B90/ DIE GRÜNEN, CDU/CSU und SPD, sowie der Gruppe DIE LINKE betonten den Wert der Club- und Livekultur in einer anregenden Podiumsdiskussion und sprachen ihre Unterstützung aus.
kulturelle Anerkennung von Clubs
Vergangene Woche kamen Abgeordnete der demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag mit Vertreter:innen der Clubszene zu einem Parlamentarischen Abend im ACUD in Berlin zusammen. Eingeladen haben die Berliner Clubcommission und der Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland, die LiveKomm unter dem Motto “Clubs are Culture”. Mit der anknüpfenden Kampagne #clubsAREculture sensibilisieren die Verbände gemeinsam mit der Bundesstiftung LiveKultur für die kulturelle Anerkennung von Clubs.
Zahlreiche Betreiber:innen und Veranstalter:innen, sowie Vertreter:innen der Club-Verbände und andere Akteure aus Kultur und Zivilgesellschaft tauschten sich rege mit den Bundestagsabgeordneten sowie Kommunal- und Landespolitiker:innen aus. Im Zentrum des Abends stand eine Podiumsdiskussion mit den Vertreter:innen der Bundespolitik. Auf dem Podium vertreten waren die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Elisabeth Kaiser (SPD), der Sprecher und Leiter der AG Kultur und Medien von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Erhard Grundl, der Obmann des Ausschusses für Kultur und Medien der CDU/CSU Fraktion Maximilian Mörseburg, sowie die Sprecherin der Gruppe Die Linke für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik Caren Lay.
Anpassung von Schallemissionsrichtlinien
Moderiert wurde das Podium von der politischen Sprecherin der LiveKomm Pamela Schobeß und dem Vorstandsvorsitzenden der Berliner Clubcommission Marcel Weber. Die Diskussion zeigte, dass es von allen demokratischen Parteien Zuspruch für die Forderungen der Clubszene gibt. Elisabeth Kaiser von der SPD etwa, sprach sich für eine diverse Nutzung von Innenstadtflächen aus, in welcher, angelehnt an die Leipzig-Charta, auch Kulturorte wie Clubs geschützt werden müssen. Erhardt Grundl von B90/ DIE GRÜNEN betonte, dass seine Partei danach strebt, Forderungen wie die einer Anpassung von Schallemissionsrichtlinien, noch in dieser Legislaturperiode nachkommen zu wollen.
Die Clubcommission erhofft sich daher, dass es in nächster Zeit Transparenz über den Fortschritt der Baurechtsnovelle sowie den Bestrebungen für eine Änderung der TA-Lärm oder der Einführung einer Kulturschallverordnung, geben wird. Hintergrund der Diskussion war auch der beschlossene Entschließungsantrag (Drucksache 19/29396) des Bundestags aus dem Jahr 2021, der weder durch die Ampelregierung noch die Vorgängerregierung fachlich im Baurecht oder in einer möglichen Schallschutzverordnung verankert wurde.
Zeiten von Polykrisen
Aus Sicht der LiveKomm, sowie der Clubcommission riskiert dies den Schutz clubkultureller Räume vor Verdrängung und somit den Verlust von wichtigen kulturellen und sozialen Orten. Die Clubcommission hofft auf eine schnelle Umsetzung des Beschlusses, um Clubs als wichtige Kulturstätten auch in Zukunft im Innenstadtraum zu sichern. Dies sei besonders wichtig in Zeiten von Polykrisen, in denen Clubbetreiber:innen mit steigenden Personal- und Energiekosten, der Realität von weniger Einkommen bei den Gästen und steigenden Mieten, sich generell in einer prekären Situation wiederfinden. Die langsamen Mühlen der Demokratie würden an der Realität der sich rapide entwickelnden Stadt vorbeigehen, so der Wortlaut.
Daran anknüpfend wurde auch die kürzlich angekündigte Würdigung von Berliner Techno-Kultur als immaterielles Kulturerbe durch die Kultusministerkonferenz von den Anwesenden thematisiert. Für sein Engagement, die von Hans Cousto ins Leben gerufene Idee der UNESCO Anerkennung umzusetzen, bekam Dr. Motte, der auch im Saal saß, Applaus vom Publikum. Aus Sicht der Vertreter:innen der Clubszene ist dies ein weiteres Zeichen, dass Clubkultur besonderen Schutz bedürfe, um ihre Existenz in Innenstädten zu sichern.
Ein harmonischeres Stadtmiteinander
“In Leipzig etwa, gibt es ein Kulturkataster, welches Nutzungsbedürfnisse von Live-Musik-Kultur und Anwohnenden, schon vor neuen Bauvorhaben abwägt”, berichtet Elisabeth Kaiser von der SPD. Auch Berlin arbeitet an einem solchen Kulturkataster, der Schutzfunktion für Clubs und andere Kulturstätten bieten soll, was von der Clubcommission begrüßt wird. Auch die Implementierung einer genaueren Regelung für Schallemissionen, die durch Live-Musik verursacht werden, in bundesweiten Richtlinien ist der Clubcommission und der Livekomm ein wichtiges Anliegen.
Die aktuelle Regelung über die sogenannte TA-Lärm sei veraltet und wird aktuellen Standards für Stadtentwicklung nicht mehr gerecht. Neubauprojekte etwa müssten aktuell nicht mal ihre Neumieter:innen darüber informieren, dass sie in ein Gebiet ziehen, in welchem Schallemission durch Live-Musik stattfindet. “Neubauten müssen Schallemissionen in ihrer Nachbarschaft respektieren können.”, findet auch Maximilian Mörseburg von der CDU. In anderen Großstädten wie San Francisco sei dies anders geregelt und ermöglicht so ein harmonischeres Stadtmiteinander.
Schutz von Kultur und die Bedürfnisse von Anwohnenden
Auch die Clubcommission wünscht sich eine Debatte, in welcher der Schutz von Kultur und die Bedürfnisse von Anwohnenden nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die LiveKomm schlägt für dieses Problem eine Neuregelung der Emissionsrichtlinien für Live-Musik in einer gesonderten Kulturschallverordnung vor.
Nach dem Podium wurde der produktive Austausch zu Musik von DJ Dimitra Zina und Getränken in den Abend hinein fortgesetzt. Die Clubcommission begrüßt die konstruktive Zusammenarbeit und bedankt sich bei allen Anwesenden für ihre Fragen und Beiträge.
Über die LiveKomm:
Die LiveMusikKommission e.V. (kurz LiveKomm) ist der Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland und repräsentiert mehr als 700 Musikclubs und Festivals in über 100 Städten und Gemeinden. Unsere Mitglieder gehören zu den größten Anbietern lokaler Kulturveranstaltungen, des städtischen Tourismus sowie der deutschen und internationalen Talentförderung.
Die Verbindungen von Leidenschaft und Wirtschaft, Kunst und Kommerz, gesellschaftlicher Orientierung und rebellischer Attitüde des Undergrounds sind die Besonderheiten des Verbandes. Im Mittelpunkt steht bei allen Mitgliedern aber die Musik.
Über die Clubcommission:
Die Clubcommission ist das Netzwerk der Berliner Clubkultur. Sie wurde im Jahr 2001 gegründet und ist mit über 350 Mitglieder die weltweit größte Vereinigung von Clubbetreiber:innen und Veranstalter:innen. Sie unterstützt die Arbeit der Kulturunternehmer:innen durch die Optimierung der Rahmenbedingungen und die Verbesserung der Infrastruktur.
Neben vielen verschiedenen Aktivitäten wie nachhaltiger Stadtentwicklung, Schallschutz, Vermittlung zwischen Clubs, Bauherren und der Nachbarschaft, Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Nachtökonomie und der Entwicklung von Antidiskriminierungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen in Clubs, ist die Erforschung der verschiedenen Dimensionen der Clubkultur seit jeher ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit.
Meldung aus Berlin, vom 25. März. Beitrag von Lutz Leichsenring
You must be logged in to post a comment.