Der Historikerin Ann Laura Stoler folgend, lässt sich mit Blick auf die Geschichte in manchen gegenwärtigen Diskursen eine „Aphasie“ feststellen, das heißt eine Unfähigkeit, über die eigene Vergangenheit zu sprechen, insbesondere wenn es darum geht, systematische Gewalt und Machtverhältnisse nachzuzeichnen.
Ausgehend von ihrer eigenen Familiengeschichte und der Verwicklung ihres Großvaters in das faschistische Regime in Italien sowie in den Kolonialkrieg in Äthiopien, entwickelt Fiorio ein kollaboratives Langzeitprojekt, das partizipative Archivierungsmethoden einsetzt, um sich mit Geschichten zu befassen, die aufgrund ihrer intimen Betroffenheit die Normalisierung von Ideologien aufzeigen.
Wie beeinflussen diese Hinterlassenschaften unsere Gegenwart?
Dieser Workshop lädt die Öffentlichkeit ein, Gegenstände (Bilder, Objekte, Dokumente) oder mündliche Erinnerungen aus ihren eigenen Familienarchiven mitzubringen oder Familiengeschichten zu teilen, die als “schwieriges Erbe” betrachtet werden können, insbesondere im Zusammenhang mit der NS-Zeit in Deutschland. Das gesammelte Material wird aktiviert, um eine Diskussion an der Schnittstelle von öffentlich und privat zu initiieren.
Ziel ist es, einen Raum für Austausch und Diskussion zu schaffen, um Verbindungen zwischen den vielfältigen persönlichen Geschichten herzustellen, aber auch über die vielen stillen und verborgenen Spuren in unserem Alltag nachzudenken. Durch die kollektive Entfaltung von Erzählungen und Geschichten, die mit dem Verlust von Demokratie und Völkermorden verbunden sind, lädt der Workshop zum Nachdenken über die Gegenwart ein.
Ein kollektives Archiv
Der Workshop richtet sich an Einzelpersonen, die ihre Erinnerungen öffnen und gemeinsam private Archive öffnen möchten und einen sicheren Raum und eine vertrauensvolle Gemeinschaft brauchen, um sie zu teilen. Die Gruppe wird die Möglichkeiten und Wege der Wiederverwendung der gesammelten Gegenstände und Dokumente diskutieren, um die persönliche und kollektive Geschichte zu überdenken und neu zu schreiben.
Ziel ist es, das Geschichtenerzählen zu üben und gemeinsame Methoden anzuwenden, um revisionistischen Absichten, einseitigen teils institutionalisierten Erzählungen und der Instrumentalisierung der Geschichte zu begegnen. Der Workshop ist auch eine Einladung, sich daran zu erinnern, dass jede einzelne Erzählung von Bedeutung ist und eine Rolle bei der Gestaltung der Geschichte spielt.
»NIE WIEDER UND JETZT?« Mein Nazi-Großvater
Workshop mit Laura Fiorio
1. Juni 2024, 15 Uhr | Teilnahme kostenlos, Anmeldung erforderlich
Wann: 01.06.24 um 15 Uhr mit Laura Fiorio
Wo: Bärenzwinger Berlin, Rungestraße 30, 10179 Berlin
Anmeldung per Mail mit Vor- und Nachnamen bis spätestens 31.05.24, 15 Uhr an:
Lina.Kroeger@ba-mitte.berlin.de,
Julius.Kaftan@ba-mitte.berlin.de oder laurafiorio@gmail.com
Aufgrund der Größe der Räumlichkeiten werden maximal 10 Teilnehmer*innen am Workshop teilnehmen können. Sie werden per Mail benachrichtigt. Vielen Dank für Ihr Verständnis!
Im Rahmen der Ausstellung
»Nie wieder und jetzt«
9.5. – 21.7.2024
mit Laura Fiorio und Jakob Ganslmeier
Kuratiert von
Julius Kaftan und Lina Kröger
Jakob Ganslmeier in Zusammenarbeit mit Ana Zibelnik und EXIT Deutschland
Die Ausstellung »Nie wieder und jetzt« ist der zweite Teil des Jahresprogramms KANTEN UND KNOTEN. Mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Fonds für Ausstellungsvergütungen und Ausstellungsfonds für Kommunale Galerien.
Kommende Veranstaltungen
1.6.2024, 15 Uhr
Workshop mit Laura Fiorio
19.7.2024, 19 Uhr
Die unerzählte Geschichte von Mohammad Peter (Theaterperformance) Kollektiv Scheherazade
21.7.2024, ab 16 Uhr
Finissage
Details zu Veranstaltungen werden auf www.baerenzwinger.berlin veröffentlicht.
Weitere informationen
Bärenzwinger
Rungestraße 30 | 10179 Berlin
+49 30 901 837 461
info@baerenzwinger.berlin
www.baerenzwinger.berlin
Der Bärenzwinger ist eine Einrichtung des Bezirksamts Mitte von Berlin | Amt für Weiterbildung und Kultur | Fachbereich Kunst, Kultur und Geschichte.
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag 11 – 19 Uhr | Der Eintritt ist frei.
Verkehrsverbindungen
U8 Heinrich-Heine Straße, U2 Märkisches Museum
U+S Jannowitzbrücke, Bus 165, 265, 248
Das Gebäude ist barrierefrei erreichbar. Gäste mit Kommunikations- bzw.
Assistenzhilfebedarf melden diesen bitte unter der Rufnummer (030) 9018 37461
oder per E-Mail an info@baerenzwinger.berlin an.
Künstlerisches Leitungsteam:
Alin Daghestani, Vanessa Göppner, Philipp Hennch, Julius Kaftan, Maximilian Krämer, Lina Kröger, Maxime Lübke, Janine Pauleck, Annika Reketat, Cleo Wächter
Produktionsleitung: Juliane Beddermann
Grafik: Viktor Schmidt und Nora Keilig
»Never again and now?«
Following the historian Ann Laura Stoler, an “aphasia” can be observed with regard to history in some contemporary discourses, i.e. an inability to speak about one’s own past, especially when it comes to tracing systemic violence and power relations.
Departing from her own family history and the involvement of her grandfather in the fascist regime in Italy as well as in the colonial war in Ethiopia, Fiorio developed a collaborative long-term project that uses participatory archiving methods to deal with histories that, given their intimate sphere of affection, demonstrate the normalization of ideologies.
How do those legacies influence our present?
This workshop invites the public to bring to the event items (pictures, objects, documents) or oral memories from their own family archives or to share family histories that can be considered a “difficult heritage”, specifically in connection with the NS-time in Germany. The collected material will be activated to initiate a discussion at the intersection of public and private.
Creating a space for sharing and discussion, the aim is to weave connections through the multiplicities of personal stories, but also reflect on the many silences and hidden traces on our present everyday. Collectively unfolding narrations and narratives linked to loss of democracy and genocides, the workshop invites to reflect on the present.
A collective Archive
The workshop addresses individuals interested in opening up their memories, unfolding together private archives and need a safe space and confident community to share them. The group will discuss the potentialities and ways of reusing the collected items and documents to rethink and rewrite personal and collective history.
Aim is to exercise storytelling and shared methodologies to to counter revisionist intentions, one-sided, partly institutionalized narratives and the instrumentalization of history. The workshop is also an invitation to remember that every single stories counts and has a role in shaping history.
»Nie wieder und jetzt« („Never again and now“)
09/05/2024 – 21/07/2024
with Laura Fiorio and Jakob Ganslmeier
Curated by
Julius Kaftan and Lina Kröger
Jakob Ganslmeier in collaboration with Ana Zibelnik and EXIT Germany.
The exhibition »Nie wieder und jetzt« („Never again and now“) is the second part of the annual programme KANTEN UND KNOTEN (EDGES AND KNOTS)
With the kind support of the Senate Department for Culture, Exhibition Remuneration Fund and Exhibition Fund for Municipal Galleries.
Upcoming Events
01/06/2024, 3 pm
Workshop with Laura Fiorio
19/07/2024, 7 pm
„The untold story of Mohammad Peter“ (Theatre performance) Kollektiv Scheherazade
21/07/2024, from 4 pm
Finissage
Details of events will be published on www.baerenzwinger.berlin
Header Image: Laura Fiorio
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