Im September dreht sich in Berlin alles um die Literatur: Zehn Tage lang können Lesebegeisterte auf literarische Reisen gehen und sich auf inspirierende Begegnungen mit Größen der Weltliteratur sowie zahlreiche Neuentdeckungen freuen. Das Festival richtet sich an ein lesebegeistertes Publikum und öffnet sich für alle, die den Dialog über die drängenden gesellschaftlichen und politischen Fragen unserer Zeit suchen. Auf dem 24. internationalen Literaturfestival Berlin sind 150 Autor:innen aus rund 50 Ländern weltweit zu erleben.
150 Autor:innen aus rund 50 Ländern weltweit
Die Vielfalt der eingeladenen Autor:innen umfasst bekannte Stimmen wie Rachel Cusk (Kanada/ Frankreich), Olivia Laing (UK), Mithu Sanyal (Deutschland), Elif Shafak (Türkei/UK), Aleida Assmann (Deutschland) oder die Booker-Preisträger Ben Okri (Nigeria/UK) und Paul Lynch (Irland), die ihre neuen Werke vorstellen. Darüber hinaus kann das Publikum junge Talente wie die skandinavischen Shootingstars Thomas Korsgaard (Dänemark) und Iida Turpeinen (Finnland), den uigurischen Lyriker Tahir Hamut Izgil (China/USA) oder den neuen Stern der japanischen Gegenwartsliteratur Hiroko Oyamada (Japan) entdecken.
Das facettenreiche Programm mit rund 150 Veranstaltungen und Workshops vereint unterschiedliche Formate wie Buchpremieren, Podiumsdiskussionen, eine Poetry Night, einen Graphic Novel Day und Festivalpartys. Mit der Programmveröffentlichung am 3. Juli startet auch der Kartenvorverkauf.
Curator in Residence
Das 24. ilb wurde von Lavinia Frey und ihrem Team entwickelt und wartet mit einigen Neuerungen auf. So erhält die Internationalität eine neue Qualität: Erstmals in seiner 24-jährigen Geschichte arbeitet das Festival mit einem Curator in Residence zusammen. Der aus Nigeria stammende und in den USA lebende Autor Helon Habila (Nigeria/USA) hat gemeinsam mit den Kurator:innen des ilb das diesjährige Festivalprogramm entwickelt und seine Perspektive von Anfang an mit eingebracht.
Neu ist auch ein gemeinschaftlich erarbeitetes Festivalmotto: Unter dem gedanklichen Leitfaden „Strange New World“ beleuchten über hundert Autor:innen und Podiumsgäste, wie die Literatur auf gegenwärtige Krisen und Konflikte reagiert und teilen ihre Sicht auf unsere „Seltsame neue Welt“.
Zudem orientiert sich das Festival noch stärker an den Besuchenden: Die frühzeitige Bekanntgabe des Programms, neue Ticketoptionen wie eine 10er-Karte und vor allem eine Festival Kitchen als Treffpunkt, um mit den Autor:innen ins Gespräch zu kommen, sollen die Lust auf internationale Literatur stärken. Das ilb ist ein Ort der Begegnung und des Austauschs – der Schreibenden mit ihren Leser:innen, etablierter Autor:innen mit Nachwuchstalenten, vertrauter Geschichten mit neuen Perspektiven.
„Autor:innen bringen uns ihren Blick auf die Welt näher. Sie fordern uns in vermeintlichen Gewissheiten heraus und bewirken, dass wir uns selbst auf neue Art und Weise sehen können. Literatur beschäftigt sich nicht nur mit dem, was ist, sondern auch mit dem, was sein könnte. Das internationale Literaturfestival Berlin bringt dies auf magische Weise zusammen und schafft Raum für Inspiration, für Neuentdeckungen und neue Verbindungen.“
LAVINIA FREY, FESTIVALLEITUNG
Über die Lust daran, etablierte Kategorien aufzubrechen
Eröffnet wird das Festival am 5. September von der franko-ruandischen Schriftstellerin Beata Umubyeyi Mairesse mit ihrer Rede „Strange New World” über das Zusammenwirken von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die Kraft der Literatur für unser Verständnis der seltsamen neuen Welt. Szczepan Twardoch (Polen) liest am Eröffnungsabend zum ersten Mal in Deutschland aus seinem Roman „Kälte“, in dem ein russischer Revolutionär unter Stalin aus dem Gulag flieht und in Tagebuchform von den politischen und menschlichen Verwerfungen seiner Zeit berichtet. Der Schauspieler Ulrich Matthes liest aus der deutschen Übersetzung (Ü: Olaf Kühl).
Curator in Residence Helon Habila hat 15 Veranstaltungen des Festivals kuratiert. Neben fünf thematischen Panels mit internationalen Autor:innen und sechs Buchvorstellungen finden statt: ein Workshop, eine Literatur und Musik vereinende Performance, ein Filmscreening und ein Werkstattgespräch, in dem Habila sein eigenes Schreiben reflektiert.
In „Extreme Metaphors: Challenging The Received Tradition“ kommen drei preisgekrönte weibliche Stimmen des Africanfuturism – Okwiri Oduor (Kenia/Tunesien), Novuyo Rosa Tshuma (Zimbabwe/USA) und die Hugo-, Nebula- und World Fantasy Award-Preisträgerin Nnedi Okorafor (Nigeria/USA) – erstmals auf dem ilb zusammen. Sie sprechen über Science- Fiction, magischen Realismus und über die Lust daran, etablierte Kategorien aufzubrechen.
Im Gespräch:
Habila ist sowohl als Gastgeber seines Programms als auch auf der Bühne zu erleben:
„The Art of Writing“ gibt Habila Einblicke in seine Arbeit und seinen neuen, noch unveröffentlichten Roman. Als Moderator des Panels „A Writer is by Definition a Disturber of the Peace” zum 100. Geburtstag von James Baldwin beleuchtet er die Kraft der Literatur. Die Autor:innen Sasha Marianna Salzmann (Russland/Deutschland) und Logan February (Nigeria/Deutschland) stellen ihre Lieblingswerke des afroamerikanischen Schriftstellers vor und diskutieren über sein Vermächtnis für die Bürgerrechtsbewegung und für die Rechte von Minderheiten weltweit.
Starke weibliche Stimmen aus dem westlichen Balkan sind in der literarischen Revue „Spaces of Freedom“ zu hören. Barbi Marković (Serbien/Österreich), 2024 ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse, Rumena Bužarovska (Nordmazedonien), Diana Çuli (Albanien), Barbara Delać (Montenegro), Lejla Kalamujić (Bosnien und Herzegowina) und Adelina Tërshani (Kosovo) werfen in ihren mal wütenden, mal humorvollen Texten einen weiblichen Blick auf die Geschichtsschreibung.
Debattenkultur und Politik
Den Blick auf aktuelle Debatten lenkt der Essayband „Muslimisch-jüdisches Abendbrot. Das Miteinander in Zeiten der Polarisierung“ des muslimisch-jüdischen Paares Meron Mendel (Israel/Deutschland) und Saba-Nur Cheema (Deutschland). Die Gespräche kreisen um Identitätspolitik, den Nahostkonflikt und Fremdenfeindlichkeit.
Den Stimmen palästinensischer Autor:innen verleihen Ghayath Almadhoun (Syrien/Deutschland) und Freund:innen bei der Lesung „In the Presence of Absence. Poems from Palestine” Gehör. Sie tragen Gedichte von palästinensischen Autor:innen vor, die in der Diaspora in Nordafrika, Europa oder den USA leben, während andere den Gazastreifen nicht verlassen können. In ihrer Lyrik kommen Wut und Trauer, Schmerz und Sehnsucht zum Ausdruck.
Ebenfalls eng am Zeitgeschehen sind die vom Kooperationspartner PEN-Berlin kuratierten Panels. Unter der Leitfrage „What If We Were Wrong: Was hilft gegen die AfD?“ sprechen die Politiker:innen Katarina Barley, Katja Kipping, Thomas de Maizière, Boris Palmer und Linda Teuteberg unmittelbar nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen darüber, warum es so schwer ist, dem Rechtsruck in Deutschland etwas entgegenzusetzen.
Inwiefern Emotionen und Affekte der Politik schaden oder nützen können, erörtern Julian Nida-Rümelin (Deutschland) und Maren Urner (Deutschland). Said Etris Hashemi (Deutschland), Überlebender des Attentats von Hanau, und die Journalistin Gilda Sahebi(Deutschland) fragen, wie institutioneller Rassismus uns prägt und was wir dagegen tun können. Davi Kopenawa (Brasilien), Sprecher der Yanomami-Indigenen, und Mirjam Herrmann (Deutschland), eine namhafte Vertreterin der sogenannten Letzten Generation, betonen die Schutzbedürftigkeit der Natur im Kampf gegen Klimawandel und Umweltkrisen.
Gegenwartsliteratur und internationale Lyrik
Dem Widerhall unterschiedlicher Stimmen, Texttraditionen und Erzählformen in der internationalen Gegenwartsliteratur spürt die Reihe ECHO. ECHO in Kooperation mit dem FU-Exzellenzcluster Temporal Communities nach. In diesem Jahr steht sie im Zeichen des Kollektivs: Das anonym agierende Autor:innenkollektiv Wu Ming aus Italien stellt seinen im gemeinschaftlichen Schreiben entstandenen Roman
„UFO 78“ vor und osteuropäische Lyriker:innen entwerfen queere Zeitlichkeiten jenseits des Linearen. Zsuka Nagy (Ungarn), Sergei Davydovs (Russland) und Łęko Zygmuntówne (Polen) sprengen mit ihrer poetisch bis satirischen Dichtung zahlreiche Formen der Normativität. Im Jungen Programm stellt die Jugendliteraturpreisträgerin Chantal-Fleur Sandjon (Deutschland) ihren neuen Coming-of-Age-Roman „City of Trees” vor, der die kollektive Verwandlungserfahrung junger Menschen beschreibt.
Autor:innenkino: Vom Script zum Film
Das ilb gibt Stimmen Raum, die sich mit kollektiver Gewalterfahrung und damit verbundenen schwer zu ertragenden Konflikten auseinandersetzen. Der Abend „SHARED TRAUMA. Eine Nacht der Erinnerungen“ in Kooperation mit dem Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung bringt
Autor:innen, Expert:innen und Filmschaffende zusammen. Dort, wo es keine Worte gibt, können Literatur und Film Ausdrucksformen finden. Branwen Okpako (Nigeria/USA), Ronya Othmann (Deutschland), Sasha Marianna Salzmann(Russland/Deutschland), Ofer Waldman (Israel), Tahir HamutIzgil (China/ USA) und Olga Bubich (Belarus/Deutschland) widersetzen sich der Ohnmacht und Sprachlosigkeit.
Poetry Slam
Vielstimmige, schillernde Sprachkunst erklingt bei der Poetry Night mit einigen der wichtigsten Lyrikstimmen der Gegenwart. Der uigurische Dichter Tahir Hamut Izgil (China/USA), Logan February (Nigeria/ US/D), Hannah Sullivan (UK) und Maria Stepanova (Russland) lesen in ihren Sprachen, Schauspieler:innen rezitieren die deutschen Texte, die zum Teil exklusiv für das Festival übersetzt wurden.
Am 14. Graphic Novel Day erkunden junge Talente und Stars der Szene mit Tusche, Pinsel und Füllfeder ungewöhnliche Erzählweisen – und lassen dabei seltsame neue Welten entstehen: Die schaumige Angelegenheit der Pubertät, eine Anleitung zum (Ver-)Lernen des Fürchtens oder der ganze Kafka auf 128 Seiten.
Mit den Comicbuchautor:innen Nando von Arb (Schweiz), Nicolas Mahler (Österreich), Nina Six (Frankreich/Belgien) und Nora Krug (Deutschland/USA). Sie beleuchtet in ihrer Lesung „Kunst politisch zu zeichnen“ menschliches Verhalten gegenüber staatlicher Gewalt. Die Trilogie, die sie präsentiert, kombiniert Illustration, Text, Fotografie und Archivdokumente zu Themen wie NS-Täterschaft, Autoritarismus und dem Ukraine-Krieg.
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