Leonie Böhm’s ANTIGONE nach Sophokles

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Tiefgründiges Theater und philosophische Theorie im Maxim-Gorki Theater: »Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch« lässt Sophokles den Chor in seiner Antigone sprechen. Wie oft haben wir angesichts all der gegenwärtigen Kriege und Gewaltexzesse eben diesen Gedanken gehabt. Dabei ist er Teil einer seit der Aufklärung geführten Debatte, die längst nicht entschieden ist: Für Thomas Hobbes ist der Mensch seiner Natur gemäß dieses Ungeheuer – wild, tierisch und ekelhaft, nur zähmbar durch Gemeinschaften mit Regeln und Gesetzen. Sein französischer Philosophenkollege Jean-Jacques Rousseau entwarf ein völlig anderes Bild. Für ihn sind Menschen von Natur aus gut, erst die Gesellschaft würde sie verderben. Rousseau oder Hobbes, was denken Sie?

Drei Bühnenstücke mit emotionaler Sprengkraft

Am Sonntag feiern wir die Premiere von ANTIGONE in einer Überschreibung von Leonie Böhm und Ensemble. Am 24. April jährt sich der Völkermord an den Armenier:Innen zum 98. Mal. Zu diesem Anlass zeigen wir erneut die Videoinstallation AURORAS von Atom Egoyan sowie eine Aufzeichnung der Performance AUCTION OF SOULS von Arsinée Khanjian über die überlebende Augenzeugin Aurora Mardiganian.

Der eingangs zitierte Satz ist übrigens einer der wenigen »Sophokles-Originale«, die in unserer Variante von ANTIGONE auftauchen werden. Leonie Böhm und ihr Team wählen einen ganz eigenen, zarten, bedächtigen und nachdenklichen Zugang. Hierarchischen und ausbeuterischen Prinzipien setzen sie gemeinsam mit dem Publikum radikale Ehrlichkeit, Zugewandtheit und gewaltfreien Widerstand entgegen. Wir laden Sie ein zu einem außergewöhnlichen wie poetisch-sinnlichen Abend für Schauspielerinnen wie Zuschauende.

Spielplan Im April und Mai:


ANTIGONE

Nach Sophokles Regie Leonie Böhm & Ensemble; Bühne Zahava Rodrigo Kostüme Laura Kirst; Lichtdesign Lutz Deppe Dramaturgie Tarun Kade.
Mit Lea Draeger, Eva Löbau, Julia Riedler, Çiğdem Teke

»Wir stehen auf des Messers Schneide«. Leonie Böhms Aneignung der antiken Tragödie beginnt, als noch nicht alles verloren ist. In einem leidenschaftlichen Balanceakt wischen die Akteurinnen im Hier und Jetzt die Staubschicht von den alten Worten und ringen mit ihnen um Handlungsfähigkeit. Die neu zusammengesetzten Texte und Gedanken eines der berühmtesten Theaterstücke der Weltliteratur erzeugen einen gegenwärtigen Resonanzraum, sich den in uns über Generationen weitergetragenen »Flüchen« zu stellen.

Wie ist ein für nachhaltige Veränderung notwendiger Bewusstseinswandel möglich? Wie können wir loslassen, was uns im Weg steht, uns neu zu erfinden, neu zu verbünden? »Und hier, auf einmal hebt ein Wirbelsturm Staub vom Boden in die Höhe, und füllt die Ebene, zerfetzt das ganze Laub des Waldes, die Luft ist voll davon!« Zum Stück

Livemusik Fritzi Ernst
Premiere 16. April 19:30 Uhr, Bühne
am 21. April & 14. Mai 19:30 Uhr, Bühne
24. APRIL:
ZUM GEDENKEN AN DEN VÖLKERMORD
AN DEN ARMENIER:INNEN

AUCTION OF SOULS

Film | Lecture-Performance
Von und mit Arsinée Khanjian
Nach dem Filmskript von Ravished Armenia

Aurora Mardiganian berichtete als Augenzeugin von den Massakern des Völkermords an den Armeniern. Von Auction of Souls, der Verfilmung ihres Texts Ravished Armenia sind heute nur 22 Minuten und das Skript erhalten. Arsinée Khanjian rekonstruiert in ihrer Lecture-Performance die Geschichte eines verzweifelten Versuchs, das Unbeschreibbare zu erzählen. Mehr dazu

24. April 20:30 Uhr,
Studio Я
Portrait von Aurora Mardiganian in einem gelben Hoodie und geschmückt von einer Granatapfelsamenkette. Zwei Hände fassen der dunkelhaarigen Frau, die einen Granatapfel in der Hand trägt an den Kopf. Ihr Blick ist entschlossen  und eindringlich, die Lippen blass rosa und die Züge ihres Gesicht angespannt. Dahinter ist eine Bergkette zu sehen.

AURORAS

Videoinstallation
Von Atom Egoyan

In der Videoinstallation von Atom Egoyan sprechen sieben »Auroras« Auszüge aus dem Text. Denn als sich Mardiganian Promo-Auftritten für den Film verweigerte, wurden Doubles verpflichtet. Die Installation ist gleichermaßen ein Verweis auf diesen Aspekt der Geschiche und ein Versuch, Auroras Geist zurück auf die große Leinwand zu bringen. Mehr dazu

24. April 10:00-20:30,
22:00-00:00 Uhr,
Videoinstallationen auf den Außenbildschirmen vor dem dem Gorki & Studio Я
Zu sehen ist eine armenische Berglandschaft. Die Mitte des Bildes ist durch eine Wolkendecke geteilt. Dahinter ragt ein schneebedeckter Berg auf. Im Vordergrund ist eine schwarze Landschaft zu sehen.

BLOOD MOON BLUES

Von Yael Ronen & Orit Nahmias, Regie Yael Ronen

Inmitten einer surrealen Berglandschaft befinden sich zwei Schauspieler:innen in sanftes, gelbes Licht getaucht. Auf der linken Seite sitzt eine der beiden in langen Gewändern auf einen Stein gelehnt, während die andere Schauspielerin in einem rosafarbenen Overall duch die von Kerzen beleuchtete Landschaft streift.

Der Nubische Steinbock lebt in felsigen Wüstenregionen. Und genau hierhin hat sich auch Elinor zurückgezogen. Denn nachdem sie ein Leben lang am Rande des Abgrunds tänzelte, dabei gelassen und standhaft blieb, bringt eine erschütternde Information sie nun zum ersten Mal aus dem Gleichgewicht. Nahe des Toten Meeres, zeltet sie in der Wüste und brütet über ihr Leben. Als Elinor ihre Tochter zu sich bestellt, weiß sie nicht, dass diese längst zu ihr unterwegs ist und mit einer ehemaligen und dem aktuellen Geliebten Elinors nach ihrer Mutter sucht … Mehr dazu

20. April & 17. Mai,
19:30 Uhr, Bühne

GESCHWISTER

Text & Regie Ersan Mondtag

Eine Mutter mit ihrem Sohn am Esstisch in den 1960er Jahren: Das blonde Kind hat den Kopf auf die Hände gestützt und blickt auf seinen teller. Die Mutter blickt schweigsam an ihrem Sohn vorbei und erscheint wie auch das Kind seltsam abwesend. Die Szenerie besteht aus einem bourgeoisen Haushalt mit Büchern, edlem Geschirr und steifer Etikette, wie auch an den Kleidern der Schaustellenden abzulesen ist.

Ein Tag im Leben einer Familie in West-Deutschland. Der Tagesablauf von Mutter, Vater und drei Kindern, am 2. Juni 1967. Zeitsprung. Die Kinder der Schweige-Generation treten ihr Erbe an. Im Zentrum der Inszenierung von Ersan Mondtag steht das Weiterwesen des Nationalsozialismus in einer bundesrepublikanischen, bürgerlichen Familie bis zum Beginn der Nullerjahre und den ersten Morden des NSU. Mehr dazu

23. April & 18. Mai,
19:30 Uhr, Bühne

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