The (B‘)old Type — WHAT MATTERS?

The (B‘)old Type — WHAT MATTERS?

Auch 2019 vermisse ich immer noch die #DIVERSITY, in der aktuellen Ausgaben vieler etablierter Publikationen, als ich die überwiegend weißen Models in den September Issues sehe und dass in einem Land, in dem der Islam vielleicht nicht zu Deutschland gehört, aber dafür leider die AFD in Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen.

Liebe Leser, selten schreibe ich noch meine Gedanken in meiner Muttersprache auf. Woran das wohl liegt, frage ich mich auch nachdem ich bereits unzählige Zeilen zum Thema sozialer Ungerechtigkeit aufschrieb und ins Universum geschickt habe. Eins weiß ich allerdings mit Gewissheit, dieser Beitrag ist über das, was wirklich zählt für mich.

#SEPTEMBERISSUE(S)

Nach einem verlängerten Wochenende ohne Nigel—mein Mac—und dem beinahe mental melt down meiner eisern antrainierten Disziplin, wenn es dazu kommt ein neuartiges Magazin heraus zubringen, sitze ich hier und schreibe endlich wieder. Ich fühle mich wieder ganz ich selbst, ohne Sorge um mein täglich Brot aber dafür mit unzähligen anderen offenen Tabs in meinen Gedanken. Nachdem ich den Social Media Detox damit zugebracht habe, mich in Hemingway Tradition zu betrinken und an meinem Buch weiter zu arbeiten—dessen Geschichte ich schon sieben Jahren mit mir herumschleppe—schrieb ich also auch, aber eben von Hand.

Ganz gekonnt und lässig in die Tasten zu klappern kann ja schließlich jeder, dachte ich mir. Allerdings hinterlassen 77 Seiten in Handschrift—inklusive inhaltlicher Notizen—ein eisernes Gefühl in den Händen und eine Hornhaut am Mittelfinger. Ganz zu schweigen von dem teilweise unverständlichen Mist, den ich in diesen zwei Tage von mir gegeben habe. Hemingway ist es also nicht, dann vielleicht doch Wilde? 

The Fight for a better place

Online scheine ich meine Stimme ja gefunden zu haben. Auch wenn sie im englischen—ebenfalls eine meiner (Groß-)Muttersprachen—wohl hin und wieder etwas dyslektisch daher kommt. Allerdings schreibe ich jeden Tag um mich mit dem Elend unserer Gesellschaft und meinen eigenen Konflikten auseinanderzusetzen. Seit März sitze ich nun schon Tag und Nacht an meinem Rechner und verarbeite die Daten, die ich jede Sekunde meines unberechenbaren Lebens unbewusst aufsage und die mich anschließend stundenlang in Gedanken verfolgen. Im Park sitzend, wundere ich mich über die Journalistenmorde in Mexico als eine Artikel dazu aufploppt, während auf der anderen Seite eine Gruppe junger Frauen sitzt, die sich über Beauty Produkte unterhalten. 

WHAT REALLY MATTERS…

Die Gentrifizierung wird mir in dem Moment bewusst und auch am nächsten Tag, als ich doch wieder in meinem eigenen Kreuzberger Bezirk lande und Mensch und Umgebung einzufangen versuche. Ich frage mich „WHAT MATTERS,“ da ich in eine andere Richtung gehen möchte, als die unzähligen Magazine zuvor und ich—wieder zurück in meiner Wohnung in Tempelhof—die Augustausgabe der deutschen Vogue aus dem Jahre 2018 in der Hand halte. Ein Teil der Interviews inspirierte mich schon damals, sonst hätte ich die Issue nicht behalten. Jedoch aus eigener Branchenerfahrung weiß ich, dass es am Ende die Anzeigenkunden sind, die „in matter of fact, really matter“. Die Frage bleibt: „What matters to us now?“

Ich lebe in einer kosmopolitischen Stadt und wie das Wort verlauten lässt, geht es um den Kosmos in diesem Wortkonstrukt; wir leben als Berlin in Koexistenz zu allem anderen erdenklich möglichen in diesem Gesamtkunstwerk an Individualität, Chaos und Ordnung. Selten allerdings habe ich ein Land erlebt, dass so resilient ist wie kein anderes, wenn es darum geht die eigene Vielschichtigkeit in der Gesellschaft gleichwertig abzubilden.

Einstein wurde zugeschrieben, gesagt zu haben: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher“. Ob es nun seine Worte waren oder nicht, in diesem Zitat steckt ein Fünkchen Wahrheit. Wenn es um unser Ego geht, werden wir oft zur schwarzen Materie und regen uns über die Dinge auf, die wir nicht ändern können. Oder etwa doch?

GAY, STRAIGHT, BLACK, RELIGIOUS, PLUS SIZE: DO THEY MATTER TO YOU?

Die blinden Flecken der Nachbarn zum Beispiel oder die Oberflächlichkeit der Modebranche, wenn es darum geht sich an Issues aus dem vorherigen Jahr zu erinnern. Auch 2019 vermisse ich immer noch die #DIVERSITY, in den Ausgaben vieler etablierter Publikationen, als ich die überwiegend weißen Models der September Issues sehe und das in einem Land, in dem der Islam vielleicht nicht zu Deutschland gehört, aber dafür leider die AFD zu Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen. Faktisch sind die türkischen, arabischen und unzähligen anderen Ethnien aus verschiedenen kulturellen Räumen, fest in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Aber auch das scheint in München zweitrangig. Liebe Redaktionen und Werbekunden, do they matter to you?

Wäre München wirklich aussagekräftig genug als deutsche Modehauptstadt, wäre sie wohl sicherlich auch Deutschlands Hauptstadt. Ist sie aber nicht, denn die neue Vielfältigkeit in diesem Land interessiert in München niemanden. Dort bezahlt man lieber für das italienische Flair den doppelten Preis, das ist schließlich seit Goethe ein Bestandteil der deutschen Kultur. Ich werde wohl noch viele weitere Zeilen schreiben müssen, um den diversen Berliner Labels die Aufmerksamkeit zu geben, die es benötigt um nach den Sternen am Modehimmel zu greifen.

#WHATMATTERSTOYOU?

Noch mehr Zeilen allerdings, für diejenigen in unserem Land die zu unserer Gesellschaft gehören, aber nicht als Teil von ihr sichtbar werden. Außer wenn es um einseitige Berichterstattung geht. Für die Menschen, die neben mir in der Bahn sitzen und deren unterschiedliche Hauttöne für mich kein Problem, sondern eine Bereicherung darstellt. Nicht nur visuell, sondern auch kulturell und intellektuell. Diesen Menschen widme ich meine Arbeit als Journalist und die nächsten Issue(s) unserer B’SPOQUE. Because nothing else matters to me. 


#Dialogue

2 Antworten zu „The (B‘)old Type — WHAT MATTERS?“

  1. […] den inklusiven Feminismus, welcher besonderen Fokus auf die Sichtbarkeit verschiedener Formen der intersektionalen Diskriminierung verweist. Eingefangen hat Lou Hoyer ihre Gedanken in großformatigen Tusche und Gouache Zeichnungen […]

  2. […] ich vor ein paar Monaten die überwiegend weißen Models in euren Publikationen ankreidete, konnte ich ja nicht ahnen, dass für euch in München Hautfarbe ein Modetrend ist und eben nicht […]

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