SMU Programm im Februar: “Fuck Gender” & Teddy Awards

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Im Februar wird der Potsdamer Platz in Berlin, unweit des Schwulen Museums, durch die Berlinale wieder zum Zentrum des Internationalen Films – und durch den Teddy Award rückt auch das aktuelle Queere Kino ins Scheinwerferlicht.

Nicht wenige Dokumentarfilme setzen dabei Archivmaterial in Szene, im vergangenen Jahr z.B. das Jürgen-Baldiga-Porträt “Entsichertes Herz“, in dem Fotografien zu sehen waren, die sich als Dauerleihgabe in unserem Archiv befinden. Ein Kurzfilm, der zwar nicht auf der Berlinale lief, aber auf mehreren anderen Festivals, ist “Mit Luftpost“, in dem Briefe des in Deutschland auf Grundlage des §175 kriminalisierten Peter Bermbach aus den 1950er Jahren im Zentrum stehen – ein Teil des Vorlasses von Bermbach wird gerade in unserem Archiv erschlossen.

Ich will alles

Auf der diesjährigen Berlinale läuft “Ich will alles“, ein Film über die außergewöhnliche Karriere von Hildegard Knef. Die Produzent*innen haben leider dafür nicht bei uns recherchiert, dabei haben wir viel interessantes Knef-Material in unserer Sammlung – von Flyern für HIV-Spendenveranstaltungen, die unter ihrer Schirmherrinenschaft stattfanden, bis hin zu Standfotografien aus ihren Filmen, wie die oben abgebildete.

À propos Standfotografien: Eine Schenkung der Filmpresseagentur Schmidt Schumacher stellen wir gerade als “Fundstück” in unserem Café aus – im Kontext des deutschen Filmstarts von “Freeheld” wurde sie vom Star des Films, Elliot Page, handsigniert: genderfluide mit “E. Page”, noch vor dem trans Coming-Out, das in einem System wie Hollywood nach wie vor nicht einfach ist.

Filmarchiv

Filme sind in unserem Archiv durchaus präsent – nicht unbedingt die, die klassischerweise in Kinematheken verwahrt werden, sondern eher die, die aus Privatsammlungen zu uns kommen. Unsere Pornosammlung ist legendär und wird immer wieder in Workshops der Öffentlichkeit vorgestellt.

In der Eberhardt-Brucks-Ausstellung “Strategien der Resilienz” sind wiederum Ausschnitte aus seinen über 100 Schmalspur-Filmen zu sehen, die seltene Einblicke in schwule Lebenswirklichkeiten in den 1950ern und 60ern bieten. 

Eine besondere Filmmaterial-Schenkung erreichte uns im Januar: die Autorin und Künstlerin Renate Stendhal schickte uns 16mm-Filmdokumente ihrer feministischen Multimediashow In the Beginning…of the End: A Voyage of Women Becoming von 1980 aus Kalifornien über den Atlantik, zusammen mit einer DVD und unfangreichem begleitenden Material. So bekommt bei uns eine neue Heimat, was vor über 45 Jahren mal auf Filmfestivals zu sehen war.

Weniger filmreif sind unsere anderen Meldungen im Februar. Kurz vor der Bundestagswahl machen auch uns politische Entwicklungen und einige Wahlprogramme Sorgen – das Schwule Museum beteiligt sich deshalb am “Winter-CSD“, dem bundesweiten Aktionstag der deutschen CSD-Bewegung mit 40 Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen in ganz Deutschland unter dem Motto “Wähl Liebe!

#Berlinistunkürzbar

Weitere Kürzungen kommen auf uns zu und machen Planungen für unser Jubiläumsprogramm zum 40-jährigen Bestehen quasi unmöglich. Weshalb wir uns nochmal erlauben, auf ein zentrales Projekt unseres Hauses hinzuweisen: Videointerviews mit unseren Gründungsmenschen aufzuzeichnen, damit Erinnerungen und Zeitzeugnisse nicht verloren gehen. Jeder Beitrag hilft! Hier nochmal die gesammelten Infos.

Dass wir unsere Eintrittspreise anheben mussten, haben wir im letzten Newsletter schon mitgeteilt. Was ganz großartig ist: wir haben seitdem schon einige Soli-Tickets verkauft, mit denen Menschen mit wenig Geld umsonst unsere Ausstellungen besuchen können. Auf unsere Besucher*innen ist Verlass!

Kommt vorbei, zwischen zwei Filmen am Potsdamer Platz, und überhaupt –
Euer SMU-Team!Filmstill aus “In the Beginning…of the End: A Voyage of Women Becoming” von Renate Stendhal und  Maj Skadegaard (1980)

“Fuck Gender”

Blick auf “Fuck Gender” durch “Love At First Fight” (Foto: Ralf Rühmeier)Wir fangen mit der kleinsten Ausstellung an, denn Fuck Gender ist nur noch bis zum 3. März (!) zu sehen – der Lichtschutz ermöglicht uns keine längere Präsentationszeit. Annette Fricks Fotografien aus ihrer zentralen Werkgruppe porträtieren “Gender Outlaws”, nicht isoliert, sondern als Mitglieder von Communitys.

Damit ermöglichen sie eine interessante visuelle Vertiefung des Bewegungsthemas von “Love at First Fight”, die im gleichen Raum präsentiert wird und ausdifferenziert, was sich in (beiden) Deutschland(s) an queerer gemeinschaftlicher Energie nach Stonewall gebildet, entwickelt, verflüchtigt und wieder zusammengefunden hat.

Fricks Porträts entwickeln so z.B. einen spannenden Dialog mit den Tunten-Bildern von Jürgen Baldiga, ihr weiblicher Blick auf Drag kontrastiert mit dem schwul-männlichen.

Young Birds from Strange Mountains

Verdiente Aufmerksamkeit hat zuletzt unsere Austellung über südostasiatische und diasporische queere Kunst und Traditionen Young Birds from Strange Mountains erhalten. In seinem großen Bericht für die Online-Ausgabe der Zeitschrift Monopol schreibt Jens Hinrichsen:

“Der junge Vogel weiß nicht, warum er singt, ‘seine wogenden Melodien’ lassen weder die Früchte reifen noch die Blumen erblühen. Der Gesang ‘bringt keine Ernte’, und doch singt das Tier ohne Unterlass. Die Zeilen lesen sich wie eine heimliche Ode an die Queerness wie ans ‘interesselose Wohlgefallen’ (Kant) an der Kunst. Und so erzeugt das Gedicht einen überzeitlichen Resonanzraum, der queere Kulturschaffende über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg verbindet.

‘Queerness in Südostasien’

‘Wissen der Vorfahren’ und ‘Spirituelle Wege’ bilden denn auch zwei Kapitel der Ausstellung, die außerdem mit Überschriften wie ‘Verkörperte Versprechen’ und ‘Tropische Technologien’ gegliedert ist. (…) Trotz des beschränkten Raums ist die Schau um das Riesenthema ‘Queerness in Südostasien’ erstaunlich breit gefächert, nicht zuletzt dank eines ‘Strange Mountains Archivs’ mit einer Fülle an Materialien.

Darunter ein Stummfilm aus dem Jahr 1954, der 2023 beim International Queer Film Festival im HKW wiederaufgeführt wurde: der älteste erhaltene thailändische Film, in dem eine ‘Katoey’ vorkommt, wie sowohl Transgender als auch feminin auftretende Männer in diesem Kulturkreis genannt wurden.” In der Rezension geht der Autor auch auf unsere aktuelle Situation und die Sparmaßnahmen ein und schließt: “Ohne das Schwule Museum als queeres Kompetenzzentrum und Ausstellungsort wäre Berlin arm dran.”

Strategien der Resilienz – Einblicke in das Leben von Eberhardt Brucks

Die Ausstellung “Strategien der Resilienz – Einblicke in das Leben von Eberhardt Brucks” läuft seit Oktober 2024 und enthüllt spannende Facetten queerer Zeitlichkeiten, die die Kunstwerke und Lebenszeugnisse von Eberhardt Brucks mit Positionen queerer Gegenwartskunst verbinden.

Kuratiert hat die Ausstellung neo seefried und hier erzählt neo, wie es dazu gekommen ist und wie sich das Konzept entwickelt hat. Dabei werden auch die privat aufgenommenen Tonbänder von Eberhardt Brucks erwähnt, die Teil der Sammlung sind und die in Ausschnitten auch in der Ausstellung auftauchen.

Für das Podcast-Format “Deep Doku” des RBB hat Autor Christian Collet die gesamten Aufnahmen durchgehört und daraus ein berührendes Feature über die Liebe von Eberhardt Brucks und seinem Partner Hans-Joachim “Hansi” Pählke gemacht: hier kann man es anhören.

Die Ausstellungen im Überblick:

  • Young Birds from Strange Mountains – Queere Kunst aus Südostasien und seiner Diaspora | bis August 2025
  • Strategien der Resilienz – Einblicke in das Leben von Eberhardt Brucks | bis Mai 2025
  • FUCK GENDER – Fotografien von Annette Frick aus der Sammlung Schwulen Museum | bis 3. März 2025
  • Love at First Fight! Queere Bewegungen in Deutschland seit Stonewall | bis August 2025

WEITERE INFORMATIONEN ZU DEN AUSSTELLUNGEN

Trauer und kollektive Heilung: Andenken an verstorbene Freund*innen in “Strategien der Resilienz”

(Foto: Yu Mitomi)Zwei Workshops und ein flashmob laden zur Vertiefung der Themen unserer Ausstellungen Young Birds from Strange Mountains und Strategien der Resilienz ein.

neo seefried und Raf Beck (Queer Death Cafe) bieten einen Workshop zum Thema “Queere Trauer und Tod” an (22. Februar), ausgehend vom Kurzfilm „I Don’t Want to Be Just a Memory“ von Sarnt Utamachote, der in der Eberhardt-Brucks-Ausstellung zu sehen ist und der kollektive Trauerprozesse um Freund*innen einfängt, die ihr Leben durch Substanzkonsum und psychische Krisen verloren haben. Wenn ihr euch für den Workshop anmeldet, bringt bitte einen persönlichen Gegenstand (oder ein Lied, einen Text, ein Zitat usw.) mit, der mit dem eigenen Verlust verbunden ist. Weitere Infos gibt es hier.

Am 21. Februar bieten Thảo Hồ (Kuration Young Birds From Strange Mountains) und Jessica Walter (SMU) einen kreativen Archivierungs-Workshop an, der sich explizit an queere BIPoC richtetHier stehen alle wichtigen Infos dazu. 

“Writing the Archive #2”

Wer sich darüber hinaus mit der fehlenden oder unangemessenen Darstellung von Schwarzen, indigenen und queeren People of Color in historischen Aufzeichnungen auseinandersetzen möchte, wird sich über das Zine “Writing the Archive #2” freuen, das in einem gemeinsamen Workshopprojekt vom Spinnboden Lesbenarchiv und dem SMU  entstanden ist: es liegt gerade in beiden Institutionen kostenlos aus!

Strategien der Resilienz

Donnerstag, 13.02., 18 Uhr (DE)
Sonntag, 16.02., 15 Uhr (DGS)
Donnerstag, 20.02., 18 Uhr (EN)

Young Birds from Strange Mountains

Samstag, 15.02., 16 Uhr (Thai & EN)
Samstag, 22.02., 16 Uhr (DE)
Donnerstag, 27.02., 18 Uhr (EN)
Sonntag, 23.02., 15 Uhr (EN)

Die Führungen sind kostenlos, bezahlt werden muss nur der Museumseintritt. 

neo zwischen den fast lebensgroßen Porträts von Genesis Kahveci, im freien Bezug auf die Körperinszenierungen von Eberhardt Brucks. (Foto: Yasmin Künze)

Spot on… neo seefried!

Wie geht queeres Kuratieren?  Zum Beispiel, indem man Faschingsbälle in den 1950er Jahren mit aktueller queerer Clubkultur in Beziehung setzt! neo seefried hatte sich Anfang 2024 für die Kuration einer Ausstellung über die Sammlung Eberhardt Brucks beim Schwulen Museums beworben, sich durch eine Unmenge an Hinterlassenschaften gearbeitet und in kurzer Zeit ein komplexes und überraschendes Bild eines schwulen Lebens im 20. Jahrhundert gezeichnet, das überraschende Bezüge zu heutigen queeren Lebensfragen herstellt.Welche unerwarteten Nuancen des Politischen dabei zum Vorschein kamen, erzählt neo hier.

Öffnungzeiten Archiv & Bibliothek:
Montag, Mittwoch – Freitag: 14 Uhr – 18 Uhr. Dienstags Ruhetag.

Fundstück

Unser Archiv ist mit etwa 1,5 Millionen Archivalien die größte Sammlung an Dokumenten und Realien zur LSBTIAQ+-Geschichte in Deutschland. Durch Schenkungen von Privatpersonen wächst die Sammlung ständig um kuriose Funde und historisch bedeutsame Gegenstände.

Diese stellen wir euch auf Social Media und unserer Ausstellungswand im Museumscafé vor. Unser Februar-Fundstück steht im Zeichen des queeren Films, und wir präsentieren ein Standbild aus “Freeheld” mit Originalunterschrift von Elliot Page! Besucht unser Museumscafé oder unsere Kanäle auf Instagram und Facebook!

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