EMAF 2025 – Das Thema: Witnessing Witnessing

Festival: 23 – 27 April 2025

Exhibition: 23 April – 25 May 2025
Osnabrück

Das EMAF gibt mit seinem Programm nicht nur einen jährlichen Überblick über das medienkünstlerische Schaffen der Gegenwart, sondern greift auch Entwicklungen und Diskurse auf, die unser gesellschaftliches Zusammenleben prägen – seien sie  künstlerischer, technologischer oder politischer Art.

Diese Auseinandersetzung findet insbesondere im Rahmen des Festivalthemas statt, dessen Ausarbeitung in den Händen eines jährlich wechselnden kuratorischen Teams liegt.

Aussagen, Dokumente, einzelne Dinge oder ganze Archive

Mit dem kommenden Themenschwerpunkt Witnessing Witnessing (Das Bezeugen bezeugen) möchten wir uns der Frage widmen, welche Rolle Zeug*innen gegenwärtig zukommt, wie Zeugnisse – Aussagen, Dokumente, einzelne Dinge oder ganze Archive – unseren Blick auf die Welt prägen und wie sie in politische Wirklichkeit hineinwirken können.

Was wir bezeugen oder als Zeugnis hinterlassen, ermöglicht anderen, sich ein Bild von der Welt zu machen, das über die Grenzen ihrer eigenen Erfahrung hinausreicht. Zeug*innenschaft stiftet dadurch Verbindungen zwischen individuellen und kollektiven, vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungsräumen.

Zeugnissen kommt auch deshalb eine wichtige Bedeutung zu, weil sie bisher ungehörte Stimmen ins Spiel bringen können. Sie können unhinterfragt überliefertes Wissen, aber auch unbewusste gesellschaftliche Verdrängungsprozesse in Frage stellen und damit nachhaltig verändern, was sag-, wahrnehm- und vorstellbar ist.

Was passiert aber, wenn diese Prozesse unterbrochen werden? Wenn Zeugnisse ignoriert, aktiv geleugnet oder gegen die Bezeugenden selbst in Stellung gebracht werden? Und wie ist eine Vermittlung zwischen unterschiedlichen oder sich widersprechenden Aussagen über die Wirklichkeit möglich? 

Was können Kunst und Film tun..?

Die von Inga Seidler kuratierte Ausstellung versteht Zeug*innenschaft als aktive und auch performative Praxis, die weit über die bloße Dokumentation von Ereignissen hinausgeht. Künstler*innen setzen digitale Medien, Video, Film und interaktive Installationen ein, um Zeug*innenschaft als moralischen, politischen und emotionalen Akt zu untersuchen.

Sie hinterfragen die Authentizität und Wahrheit von Medienproduktion, indem sie die Verantwortung und die Machtverhältnisse beleuchten, die mit der Darstellung von Ereignissen, Geschichte, Trauma und Gewalt verbunden sind.

Die Besucher*innen sind dazu eingeladen, selbst zu untersuchen, Verbindungen herzustellen und sich kritisch mit den präsentierten Informationen auseinanderzusetzen, um so Teil des prozessualen Aktes der Zeug*innenschaft zu werden. Was können Kunst und Film tun oder sagen, in Zeiten, in denen ein live gestreamter Genozid begangen wird, dessen Verantwortliche ungestraft davonkommen?

Panels, Vorträge, Lesungen und Filme

Das von Laura Huertas Millán kuratierte Filmprogramm untersucht eine Reihe unterschiedlicher künstlerischer Praktiken, die um Erinnerung, die Körperlichkeit von Widerstand und Performance als somatisches Archiv für die Überlieferung von Geschichte kreisen.

Der Titel der Reihe, We sing to wing again, inspiriert von einem Vers der Dichterin Hoa Nguyen, verweist auf die nicht enden wollenden Zyklen kolonialer Gewalt, das Durchbrechen eines oppressiven Schweigens, das Bezeugen von Geschehenem und das Bewahren von Hoffnung. 

Wenn Zeug*innen von Gewalt und Ungerechtigkeit ungehört bleiben, wo wird das, was passiert, registriert, wo wird es aufgehoben? 

I could swear my face was touching stone, der Titel der diesjährigen Talks, kuratiert von Natascha Sadr Haghighian, Marc Siegel, Philip Widmann und Florian Wüst, ist dem Gedicht Land to Light On (1997) der kanadischen Schriftstellerin Dionne Brand entliehen.

Brand hat sich in ihrer Poesie immer wieder mit der Frage des Bezeugens beschäftigt, mit der Lücke zwischen dem, was angetan, und dem, was davon berichtet wurde.

Die vier hybriden Veranstaltungen, die Panels, Vorträge, Lesungen und Filme miteinander verknüpfen, widmen sich der transhistorischen Dimension affektiver Zeug*innenschaft sowie den körperlichen und sensorischen Formen des Wissens. 

Zu den Kurator*innen:

Laura Huertas Millán ist eine kolumbianische und französische Filmemacherin und Künstlerin. Sie lebt in Belgien. In ihren Filmen verbindet sie Fiktion, Ökologie, kritische Ethnografie und diasporische Narrative, um Geschichten des Widerstands und des Überlebens sichtbar zu machen. 

Natascha Sadr Haghighian arbeitet mit unterschiedlichen Medien und widmet sich epistemischem Ungehorsam und diasporischen Infrastrukturen. Darüberhinaus unterrichtet sie Skulptur und Installation an der HfK Bremen. 

Inga Seidler ist eine in Berlin lebende freie Kuratorin und Projektmanagerin. Sie war Ausstellungskuratorin des transmediale Festivals und leitete das Web Residency Programm der Akademie Schloss Solitude. Seit 2021 kuratiert sie u.a. die Ausstellungen des EMAF. 

Marc Siegel ist Filmwissenschaftler, Kurator und Mitglied des Berliner Kunstkollektivs CHEAP. Er ist Professor für Filmwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. 

Philip Widmann forscht, kuratiert und macht Filme. Zurzeit arbeitet er als postdoctoral researcher im SNF-geförderten Projekt Paranational Cinema – Legacies and Practices an der Universität Zürich.

Florian Wüst arbeitet als Filmkurator, Künstler und Dozent in Berlin. Er kuratiert Filmprogramme für internationale Kunstinstitutionen, Kinos und Festivals, und ist Mitgründer der Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt. Das 38. European Media Art Festival findet vom 23. bis zum 27. April 2025 statt. Die Ausstellung in der Kunsthalle Osnabrück wird bis zum 25. Mai 2025 zu sehen sein.

Weitere Infos, auch zu unserer Serie “Sehen, um zu hören” in Kooperation mit der Lagerhalle, findet Ihr unter: www.emaf.de 

EMAF 2025 – Thematic Focus: “Witnessing Witnessing”

Exhibition: 23 April – 27 May 2025
Osnabrück

In its programme, EMAF not only provides an annual overview of contemporary media art but also addresses developments and discourses that shape our social co-existence, be they of an artistic, technological or political nature.

The role of witnesses today

This process of critical engagement is particularly evident in the festival theme, which is developed by a curatorial team that changes every year. With the upcoming thematic focus Witnessing Witnessing, we intend to explore the role of witnesses today, how testimonies – like statements, documents, individual objects or entire archives – shape our view of the world and how they can influence political reality. 
 
What we witness or hand down as a testimony enables others to form a picture of the world that goes beyond the limits of their own experience. Witnessing thus creates connections between individual and collective, past and present realms of experience. Testimonies are also important because they have the potential to bring into play voices that were previously unheard.

They can challenge the transmission of inherited knowledge, but also unconscious processes of social repression, and thus permanently change what can be said, perceived and imagined.

But what happens when these processes are interrupted? When testimonies are ignored, actively denied or used against the witnesses themselves? And how is it possible to mediate between different or contradictory accounts of reality? 

What can art and cinema do..?

The exhibition, curated by Inga Seidler, conceives of witnessing as an active and performative practice that goes far beyond the mere documentation of events. Artists use digital media, video, film and interactive installations to explore witnessing as a moral, political and emotional act.

They question the authenticity and truth of media production by examining the responsibilities and power relations involved in representing events, history, trauma and violence.

Visitors are invited to investigate for themselves, make connections and critically engage with the information presented, thus becoming part of the processual act of witnessing. What can art and cinema do, or say, in times of a live-streamed genocide committed with impunity?

panels, lectures, readings and films

The film programme, curated by Laura Huertas Millán, examines a range of artistic practices that explore memory, the physicality of resistance, and performance as a somatic archive for the transmission of History.

The title of the series, We Sing to Wing Again, inspired by a verse by the poet Hoa Nguyen, reflects an attunement to the never-ending cycles of colonial violence, the breaking of oppressive silence, bearing witness, and sheltering hope.

When witnesses of violence and injustice are hushed up in their testimony, where is what happened registered, where is it accounted for? 

I could swear my face was touching stone, the title of this year’s Talks curated by Natascha Sadr Haghighian, Marc Siegel, Philip Widmann and Florian Wüst, is borrowed from the poem Land to Light On (1997) by Canadian author Dionne Brand.

In her poetry, Brand has repeatedly turned to the question of bearing witness, to the gap between what has been done and its recounting. The four hybrid events that combine panels, lectures, readings and films attend to the transhistorical dimension of affective witnessing as well as to corporeal and sensory forms of knowledge.

About the curators:

Laura Huertas Millán is Colombian and French filmmaker and artist based in Belgium. Her films intertwine fiction, ecology, critical ethnography, and diasporic narratives to unearth histories of resistance and survival. 

Natascha Sadr Haghighian works with various media, attending to epistemic disobedience and diasporic infrastructures. Furthermore, she teaches sculpture and installation at HfK Bremen.

Inga Seidler is an independent curator and project manager based in Berlin. She was exhibition curator for the transmediale festival and head of the web residency programme at the Akademie Schloss Solitude. Since 2021, she has been curating the exhibitions at EMAF.

Marc Siegel is a film scholar, curator and member of the Berlin-based art collective CHEAP. He is Professor of Film Studies at the Johannes Gutenberg University in Mainz.

Philip Widmann is a researcher, programmer, and filmmaker. He currently works as a postdoctoral researcher in the SNSF-funded project Paranational Cinema – Legacies and Practices at the University of Zurich.

Florian Wüst is a Berlin-based film curator, artist and lecturer. He curates film programmes for international art institutions, cinemas and festivals, and is co-founder of the Berlin Journals—On the History and Present State of the City.

The 38th European Media Art Festival will take place from April 23rd to 27th, 2025. The exhibition in the Kunsthalle Osnabrück will be on view until May 25, 2025.

Further information about our series “Looking in order to Listen” in cooperation with the Lagerhalle, can be found here: www.emaf.de

Contact

European Media Art Festival
Lohstraße 45a
49074 Osnabrück
info@emaf.dewww.emaf.de

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