Insgesamt neun Ausstellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie dem Ukraine Krieg, der UdSSR Vergangenheit oder den Fragen nach den Folgen der Digitalisierung, sowie der weltweiten Lebensmittelkriese erwarten Besucher:innen des Künstlerhaus Bethanien diesen Sommer. Die Ausstellungen des Sommerprogramms laufen vom 11.08 bis zum 03.09.2023. Ein Besuch lohnt sich!
YANA BACHYNSK – A Panteon of Fleeing Spirits
Die Ausstellung The Pantheon of Fleeing Spirits ist eine durch Skulptur und Text vermittelte Erzählung, die darauf abzielt, gegenseitiges Verständnis und Verbundenheit zu fördern, indem sie die Erfahrungen von Migrant*innen und Geflüchteten untersucht. Ausgehend von Geschichten von Reise und Vertreibung wird die Bedeutung der Kleidung als letztes Überbleibsel des Schutzes inmitten des Verlustes der Heimat erforscht.
Die Wände einer Wohnung, einer Stadt, eines Landes treten in den Hintergrund und lassen nur die Kleidung als schützende Hülle zurück. Im Inneren des Stoffes überdauern persönliche Geschichten, die durch Zerschneiden, Umnähen, Mischen und Anreichern mit Kommentaren eine Transformation erfahren. Der verhüllende Charakter geht verloren, die Stoffreste werden mit Worten vermischt und selbst zu einer Ikone. Yana Bachynska spricht in seinen Arbeiten zwar über sich selbst, aber durch ihn schwingen die Stimmen anderer mit, die etwas Ähnliches erlebt haben.

YANA BACHYNSK
A Pantheon of Fleeing Spirits
11.08. — 03.09.2023
Eröffnung / Opening
10.08.2023 | 19 Uhr / 7pm
INFO
ALYONA TOKOVENKO – Affective Deconstruction
Traumata, Erinnerungen und Fetische – das sind für Tokovenko die grundlegenden Säulen unserer menschlichen Identität. In ihren großformatigen, objekt-sinnlichen und dennoch intimen Werken beschäftigt sie sich deshalb vor allem mit diesen Themen. Matratzen, welche für sie engverbunden mit Szenen des Todes, der Gewalt und des Leidens sind, sowie blutige und deformierte Körper(-teile) sind wiederkehrende Elemente in ihren multimedialen Arbeiten.
Als Künstlerin aus der Ukraine werden ihre Arbeiten vor dem Hintergrund des russischen Aggressionskriegs aktuell schnell in Bezug auf die Kriegsgräuel und als Ausdruck von kollektivem Trauma gelesen. Tokovenko arbeitet allerdings bereits seit längerem in dieser Form, da sie ihren Körper durch epileptische Anfälle besonders intensiv und teils auch furchteinflößend wahrnimmt. Eine permanent bestehende Herausforderung, die sie in der Auseinandersetzung mit ihren Arbeiten zurück unter ihre Kontrolle zu bringen versucht.

ALYONA TOKOVENKO
Affective Deconstruction
11.08. — 03.09.2023
Eröffnung / Opening
10.08.2023 | 19 Uhr / 7pm
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MAHSA ALEPH – The Container made of the Contained
Wenn ein Körper (Behälter) aus einer Seele (Inhalt) gemacht werden kann, was für ein Körper wäre das dann? Mahsa Aleph stellt die Möglichkeit vor, eine solche Frage durch eine Metapher zu stellen: ein Behälter, der dieselben Eigenschaften wie sein Inhalt hat (der Teller wird zum Brot, das zum Teller wird), wodurch die Betrachter*in in eine Pendelsituation gerät.
Ein Gefäß, das aus dem Enthaltenen besteht (Teller aus Brot), signalisiert die Möglichkeit, ein weiteres Enthaltenes in das nun enthaltene Gefäß zu setzen.
Diese dekonstruierte Situation ermöglicht eine nachlaufende Symbolisierung der instabilen Position des Gefäßes und des Enthaltenen. Neben dieser schwebenden Implikation verweist Mahsa Aleph in ihrem Projekt auch auf ein gesellschaftliches Thema in der Beziehung zwischen dem Behältnis und dem Enthaltenen: die verborgene Ebene in der Metapher vom „Brot als Teller“ und die der historischen Verehrung des Brotes, seiner Bedeutung für das Leben.
Während Mahsa Aleph auf den Pendelzustand des Brotes als Teller, auf dem etwas serviert wird, und als das, was auf einem Teller serviert wird, verweist, ist die Ehrfurcht vor dem Brot an und für sich nur eine von einer Vielzahl von Mythen, die sich um das Nahrungsmittel kreisen. Die Würde des Brotes knüpft an das umfassende Konzept der täglichen Mahlzeit der Menschen aus dem Land Iran an, in dem Brot essen gleich Essen, gleich Leben und Leben sein ist.
Wie Attar in seinem Mosibat Nameh [Buch des Leidens] mit der Stimme eines Verrückten schreibt: „Während der Hungersnot von Nishabur hörte ich weder den Gebetsruf, noch sah ich die Tür einer Moschee geöffnet, und so wurde mir klar, dass der große Name Gottes ‚Brot‘ ist. Aber dies soll nirgendwo ausgesprochen werden.“
Text: Omid Qajarian

MAHSA ALEPH
The Container made of the Contained
11.08. — 03.09.2023
Eröffnung / Opening
10.08.2023 | 19 Uhr / 7pm
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SAMIRA HODAEI – An Empty Sofreh
Sofreh ist ein ikonischer persischer Stoff, der zum Essen auf dem Boden ausgebreitet wird oder als Dekor für verschiedene Feste dient. Im Laufe der Zeit hat der Begriff selbst eine größere kulturelle Bedeutung erlangt und bezieht sich auf Konzepte von Gemeinschaften und der gemeinsamen Nutzung eines Ortes, an dem Familie und Freunde zusammenkommen können.
In allen alten Zivilisationen, insbesondere im Nahen Osten, war das Nähen und Stricken von Kleidung und Haushaltsgegenständen (Möbel, Geschirr und dekorative Gegenstände für den häuslichen Gebrauch) überwiegend eine Frauenbeschäftigung.
Die persische Teppichweberei, eines der am meisten geschätzten Handwerke, ist das Ergebnis der Arbeit von Frauen und Mädchen, die monatelang oder sogar jahrelang hinter einem Webstuhl sitzen. Das Bild eines leeren Sofreh wird seit langem von der iranischen Bevölkerung bei friedlichen Protesten verwendet. Hodaeis Arbeit lässt jedoch vermuten, dass die tiefere Bedeutung des Bildes in der Weiblichkeit liegt, die im Konzept des Sofreh selbst enthalten ist.
Die Botschaften der Liebe und des Segens, die von den Frauen, die sie hergestellt haben, in diese einfachen Gegenstände eingearbeitet wurden, zielten darauf ab, die Familie zusammenzubringen. Mit anderen Worten: Die Weiblichkeit strebt nach Pluralität und Zusammengehörigkeit und wendet sich gegen Gewalt und Zentralismus. Dank dieser verborgenen Bedeutungsebenen wird der einfache Garn zu einem ikonischen Symbol.

ROLAND BODEN – Pneumopteria
Pneumopterien, welche auch als Wolkenwale oder -schwämme, wissenschaftlich mitunter als Pneumospongien, in älteren Abhandlungen oft als Himmels-Leviathane bezeichnet werden, waren gigantische, wolkenähnliche Lebewesen, die scheinbar bewegungs- und antriebslos frei in der Atmosphäre schwebten.
Ihre Ausdehnung konnte mehrere hundert Meter betragen. Heute müssen sie wegen ihrer vielfach nachgewiesenen Empfindlichkeit gegenüber anthropogener elektromagnetischer Strahlung höchstwahrscheinlich als ausgestorben gelten.
Dagegen wurden sie in historischer Zeit häufiger beobachtet und in vielen Kulturen und Kontexten beschrieben. Die Geschichte der Beschäftigung mit Pneumopterien reicht von steinzeitlichen Höhlenzeichnungen bis zur vermutlich letzten Sichtung 2006 im Südatlantik. Früher galt ihr Erscheinen als ein schlechtes Vorzeichen, so dass sie häufig als fliegende Ungeheuer oder Monstren wiedergegeben wurden. Dies änderte sich erst mit den neuartigen Bildwiedergabemethoden der Neuzeit.
Mit seiner 2023 als Buch erschienenen Recherche liefert Roland Boden erstmals eine umfassende Einführung zu Wesen, Erscheinungsform und Verhalten der Pneumopterien und formuliert einen Abriss der Geschichte ihrer Erforschung, Beschreibung und Rezeption.
Roland Boden, geboren 1962 in Dresden, lebt in Berlin und arbeitet als Künstler, Autor und Schwerkraftexperte. Beschäftigung mit dem Problem der Reversibilität des Ungewissen.

DIE DRUSHBA-TRASSE ODER WAS HEISST HIER FREUNDSCHAFT?
1978 ist der Bildband „Die Drushba-Trasse“, herausgegeben vom Zentralrat der FDJ im DDR-Verlag „Neues Leben“, erschienen. Die Autoren sind Peter Jacobs (Text) und der Fotograf Thomas Billhardt. Im Buch wird das „Jahrhundertprojekt der DDR“, der Bau der Erdgasleitung auf dem Territorium der damaligen Sowjetunion beschrieben und gefeiert.
Dass sich der DDR-Bauabschnitt in der heutigen Ukraine befand, gibt dem Projekt vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eine besondere Dimension. Auch die Themen Energieversorgung, Abhängigkeiten von russischem Öl und Gas, sowie ökologische Aspekte berühren zentrale und vor allem, sehr aktuelle Fragen. Meldungen über Anschläge auf die Drushba-Trasse häufen sich.
Das wirtschaftliche Industrieprojekt ist von Anfang an ein politisches. Es sollte nicht nur die Energieversorgung der DDR sichern, die Pipeline diente auch dem propagandistischen Zweck, die „unverbrüchliche Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion“ zu symbolisieren.
Anhand der Motive von Billhardt will die Ausstellung das Spannungsverhältnis zwischen propagandistischer und dokumentarischer Darstellung aufzeigen.
Ausstellungskonzept: Michael Biedowicz

Die Druschba-Trasseoder
Was heisst hier Freundschaft?
11.08. — 03.09.2023
Eröffnung / Opening
10.08.2023 | 19 Uhr / 7pm
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Weitere Austellungen:

Burkhard von Harder
Fotografien eines aufgegebenen Archivs aus der ehemaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjet-Republik
11.08. — 03.09.2023
Eröffnung / Opening
10.08.2023 | 19 Uhr / 7pm
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